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Die Poison Diaries

Die Poison Diaries

Titel: Die Poison Diaries Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryrose Wood
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krank?«
    Die Frau mit den müden Augen zuckt mit den Schultern. »Ich habe heute Morgen an die Tür geklopft und um Ruhe gebeten. Die Mutter hat sich vielmals entschuldigt. Sie sagte, das Kind hätte heute Nacht starkes Fieber bekommen und kann kaum schlucken, so geschwollen ist ihr Hals. Sie meinte, ihr Mann sei schon auf der Suche nach einem Arzt, aber sie werden keinen finden, der am Sonntag kommt, so viel ist sicher.« Die Frau schnalzt mit der Zunge. »Ich habe das Mädchen kurz gesehen. Sie ist wirklich sehr krank. Ihre Wangen sind so rot wie die einer Hure.«
    »Das tut mir leid zu hören.« Meine Stimme ist mitfühlend, aber innerlich koche ich vor Zorn. Warum Maryam? Warum ausgerechnet jetzt, wo ich die Gruppe verlassen will? Wenn irgendjemand sonst krank geworden wäre, hätte ich dem Leiden mit einem Herzen aus Eis den Rücken gekehrt.
    Ich könnte Maryam mühelos helfen. Aber wenn ich mich als Heilkundige zu erkennen gäbe, würde ich mich selbst in Gefahr begeben. Wie lange würde es wohl dauern, bis jemand eine Bemerkung fallenlässt, dass die Tochter des ermordeten Apothekers auch die Fähigkeit zum Heilen besaß – und zum Töten?
    Ich sitze da und starre in meinen kalten Tee, während in meinem Inneren eine Schlacht tobt. Je länger ich bleibe, desto größer wird die Bedrohung für mich. Aber sie ist ein Kind, ein unschuldiges Kind. Anders als die meisten Erwachsenen – ich ganz besonders – verdient sie es nicht, auch nur einen Augenblick lang zu leiden.
    Geschwollener Hals, hohe Temperatur, rote Wangen – das Fieber, das Maryam gepackt hat, ist nicht zu unterschätzen. Aber es ist auch leicht zu behandeln, wenn man die richtigen Kräuter bei der Hand hat und das Wissen, wie sie anzuwenden sind.
    »Welches Zimmer bewohnen sie?«, frage ich die beiden Frauen beiläufig.
    »Dritter Stock, das letzte Zimmer auf dem Gang.« Die Frau wirft mir einen strengen, warnenden Blick zu. »Aber kommen Sie bloß nicht auf die Idee, das Mädchen zu besuchen, wenn Sie nicht riskieren wollen, sich anzustecken.«
    »Du lieber Himmel! Ein ansteckendes Fieber in unserer Reisegesellschaft! Das ist das Letzte, was wir gebrauchen können!«, fügt ihre Begleiterin hinzu. »Halten Sie sich am besten von der Familie fern, um unser aller willen.«
    »Deshalb habe ich gefragt, wo sie wohnen.« Ich gieße einen Schuss Milch in meinen Tee und betrachte die weißen Wirbel, die sich beim Umrühren mit dem braunen Gebräu vermischen. Es sieht aus wie ein winziger Strudel, der mich in die Tiefe ziehen will. »Ich würde ihnen gerne aus dem Weg gehen. Ich habe seit jeher eine starke Furcht vor Krankheiten.«
    Ich gebe vor, in aller Ruhe meinen Tee zu trinken, bis die Frauen die Gaststube verlassen. Als die Luft rein ist und niemand in der Nähe auf mich achtet, gehe ich in den dritten Stock und husche zur Tür, hinter der die Familie des Teppichhändlers wohnt. Im letzten Moment zögere ich. Vielleicht ist das Mädchen doch nicht so krank, wie die Frau behauptet hat, denke ich. Vielleicht ist nichts weiter vonnöten als ein paar ermunternde Worte.
    Warum besuchst du sie dann überhaupt?
Der böse Prinz pflanzt mir Zweifel in den Kopf.
    Wenn es eine Möglichkeit gibt, ihr zu helfen, ohne mich selbst bloßzustellen, dann werde ich es tun.
    Und was ist, wenn das nicht genug ist?
    Meine Hand hängt über dem Türgriff. Soll ich es wagen zu klopfen? Kann ich es wagen, einfach so wegzugehen?
    Pass auf, mein Liebchen
, warnt mich die Stimme meines Meisters.
Verschlossene Türen sind aus gutem Grund verschlossen. Wenn du sie auch nur einen kleinen Spalt öffnest, könnte es sein, dass du Dämonen freilässt, die besser gefangen bleiben …
    Mein Klopfen ist so leise, als ob ich gar nicht gehört werden will. Trotzdem wird die Tür geöffnet.
    »Ibrahim! Hast du den Arzt mitgebracht?« Es ist Maryams Mutter. Sie sieht erschöpft und ausgelaugt aus. »Oh, Sie sind es, Miss Rowan.« Sie späht an mir vorbei in den leeren Gang. »Ich dachte, es wäre mein Mann.«
    »Nein, tut mir leid.« Ich sehe, dass der Raum, den sich die Familie zu dritt teilt, kaum größer ist als mein eigenes Zimmer. »Ich hörte, dass Maryam krank ist. Ich wollte fragen, wie es ihr geht.«
    »Nicht gut.« Die Mutter tritt beiseite. Als mein Blick auf das Mädchen fällt, wird mein Herz schwer. Ihre Wangen sehen aus wie rot bemalt und das Weiße ihrer Augen hat einen gelblichen Schimmer angenommen. Sie wimmert bei jedem Schlucken.
    Ich kann meine Hände nicht

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