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Die Poison Diaries

Die Poison Diaries

Titel: Die Poison Diaries Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryrose Wood
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stehen. Ich bin mir sicher, dass ich zuhören und trotzdem die Ruhe bewahren kann. Wenigstens lange genug, um zu erfahren, was gesagt wird.
    »Nicht im Schloss. Nein, in den Ruinen der alten Abtei. Ein Mann ist tot. Das Haus war ausgeräumt und fast bis auf die Grundmauern abgebrannt.«
    Ausgeräumt? Niedergebrannt? Es müssen Plünderer da gewesen sein – es sei denn, die Geschichte hat auf dem Weg von Alnwick hierher Flügel bekommen. Und es ist nur von einem Toten die Rede. Damit muss Pratt gemeint sein.
    Unwillkürlich sehe ich die fürchterliche Szene vor mir: Vaters Leichnam, der hinter den verschlossenen Toren des Giftgartens unter dem Laub verwest. Nicht einmal die Raben wagen es, an seinem vergifteten Fleisch zu picken; diese Arbeit bleibt den Würmern überlassen …
    »Man sagt, dass dort in den Ruinen ein kräuterkundiger Mann und seine Tochter lebten. Stellt euch das vor! Das müssen komische Vögel gewesen sein – an einem solchen Ort zu wohnen!«
    »Sind sie beide tot?«
    »Man fand die Leiche eines Mannes, oder was nach dem Feuer davon übrig war. Von dem Mädchen keine Spur.«
    Einige schnalzen mit der Zunge. Eine Frau sagt: »Schlimm genug, das Heim eines Mannes auszuplündern und sein Leben zu nehmen. Mussten sie auch noch seine Tochter stehlen?«
    »Sie ist verloren, selbst wenn sie noch am Leben ist. Das arme Ding.«
    »Nun, das Liebchen eines Straßenräubers zu sein, ist nicht das übelste Schicksal, das ich mir vorstellen kann«, sagt eine andere Frau. Sie hat dem Ale schon reichlich zugesprochen, und ihre Worte kommen schleppend. »Wenigstens wäre es nicht langweilig! Und ich wette, es gibt gutes Geld.«
    Sie erntet ein paar Lacher. Und es dauert nicht lange, da hat die Gruppe ihre gelöste Laune wiedergefunden.
    »Ein Straßenräuber, hm? Warum nicht? Ich würd’s riskieren, wenn der richtige Räuber daherkäme.«
    »Ich auch, aber hübsch muss er sein. So wie Robin Hood.«
    »Hört ihr das, Männer? Wenn ihr den Damen gefallen wollt, müsst ihr euch nur der Räuberei zuwenden, und schon habt ihr das Bett voller Weiber.«
    Noch mehr Ale, noch mehr Gesang.
    Der Bock hat vier Beine zum Laufen,
    der Bock hat vier Beine zum Stehn.
    Und jedes Bein
    braucht ’nen eigenen Acker,
    so groß ist das Vieh, wirst schon sehn!
    Daddle-i-day, daddle-i-day,
    Fal-de-ral, fal-de-ral, daddle-i-day.
    Der Lärm ist so groß, dass sich alles vor meinen Augen dreht. Ich packe das Treppengeländer, um nicht umzufallen. Stufe für Stufe schleppe ich mich hinauf.
    Der Bock wurd geschlachtet, ihr Leute.
    Der Metzger ersoff in dem Blut,
    und der Bursche mit dem Eimer,
    ihr werdet’s nicht glauben,
    schwamm einfach hinfort mit der Flut.
    Daddle-i-day, daddle-i-day,
    Fal-de-ral, fal-de-ral, daddle-i-day.
    Auch mir war, als würde ich von einem Meer aus Blut hinweggeschwemmt. Ich brauche meine ganze Kraft, um bis zum zweiten Treppenabsatz zu kommen und mich durch den düsteren Korridor bis zu meinem Zimmer zu schleppen. Während ich noch nach meinem Schlüssel taste, sehe ich etwas: ein Glitzern, ein Lichtstrahl auf Metall in einer dunklen Ecke. Der Anblick lässt mich aufkeuchen.
    Die Assassinen
, denke ich, wie ein närrisches Kind.
    »Pst, Rowan!« Eine starke Hand wächst aus der Dunkelheit und packt meinen Arm. »Ich bin’s.«
    Er tritt aus dem Schatten. Es ist Rye.
    Er hat getrunken. Ich rieche es in seinem Atem. Aber er scheint noch recht nüchtern zu sein und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte.
    »Ich dachte, du würdest dich vielleicht fürchten. Dieses ganze Gerede von Mord und Attentätern.« Seine Stimme klingt dunkler als sonst und schwerfälliger. Das metallene Glitzern kommt von dem Medaillon, das er trägt. Ich habe es vorher noch nie gesehen, aber jetzt ist sein Hemdkragen aufgeknöpft. Auf dem Anhänger ist irgendein katholischer Heiliger zu sehen; es ist die Art von Götzenbild, die einen dieser Tage in ernsthafte Schwierigkeiten und sogar an den Galgen bringen können.
    »Das ist sehr freundlich«, sage ich und schaue mich verstohlen um. Ich möchte nicht, dass uns jemand im vertrauten Gespräch sieht. »Aber ich fürchte mich nicht.«
    »Nun, vielleicht solltest du das aber.«
    »Vor dir?« Ich schaue ihn an und betrachte den spöttisch verzogenen Mund mit den vollen Lippen, die rauen rotbraunen Bartstoppeln auf seinem Kinn. Seine Schultern sind breit und die Arme stark genug, um einen aufsässigen Hengst niederzuzwingen oder einen furchtsamen Jährling zu beruhigen.
    »Nein, nicht vor

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