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Die Poison Diaries

Die Poison Diaries

Titel: Die Poison Diaries Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryrose Wood
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Gesetzeshüter nicht zur Hilfe kommen. Meine Peiniger umringen mich, packen mich und zerren mich fort. Ein Mann drückt meinen Arm so fest, dass er taub wird.
    »Sie müssen mich nicht so fest halten«, sage ich. »Es sei denn, Sie haben Angst, dass ich davonfliegen könnte.«
    »Ha, ha.« Er schnaubt, blickt aber mit einem Mal weniger forsch drein und lockert seinen Griff nicht im mindesten. Dann, als ob er mich beruhigen wollte, sagt er: »Der Fluss ist nicht weit. Es wird nicht mehr lange dauern.«
    Ein kleiner Trost. Wenigstens weiß ich jetzt, dass sie mich in den Fluss werfen wollen.
    Als die böswillige Meute am Ufer des Tyne ankommt, hat sie sich vervierfacht. Das war zu erwarten. Ein eifernder Mob mit einer jungen Frau, die zum Fluss gezerrt wird – da ist keine Erklärung nötig. Unser bloßer Anblick macht die Nennung des Wortes überflüssig: Hexe. Das ist eine Attraktion, die niemand versäumen will.
    Sie führen mich so nah ans Ufer, bis ich den Fluss unter mir sehen kann. Das Wasser ist stahlgrau und fließt schnell. Wo es auf die gnadenlosen Felsen trifft, sprüht feine Gischt auf, die wie Nadeln aus Eis in mein Gesicht sticht.
    Agnes, die selbsternannte Anklägerin, tritt vor und spricht mich an. »Steh nicht da und wirf uns böse Blicke zu, Mädchen. Dein Schicksal liegt in deinen eigenen Händen, nicht in unseren. Wenn dein Herz rein ist, werden es alle bezeugen. Und wenn nicht, dann solltest du jetzt deine Sünden bereuen und dich bereit machen, vor deinen Schöpfer zu treten. Am Grund des Flusses.« Sie blickt auf das Wasser. Ein hungriger Ausdruck liegt in ihren Augen. »Wie steht es? Willst du springen oder wäre es dir lieber, wenn wir dich hineinwerfen?«
    Erwartet sie, dass ich ihr antworte? Ich könnte sie alle mit dem Inhalt des Beutels töten, den Agnes so selbstgerecht hin und her schwenkt. Vielleicht bekomme ich eines Tages die Gelegenheit dazu.
    »Mir wäre es am liebsten, wenn ihr alle in der Hölle brennen würdet«, entgegne ich gelassen.
    »Also werft sie rein«, befiehlt Agnes, und wieder werde ich gepackt. Die raue Stimme eines Mannes erhebt sich über das Knurren der Menge.
    »So könnt ihr das Weib doch nicht hineinwerfen!«
    Es ist Rye. Er ist außer Atem, weil er so schnell gerannt ist. Er hat erfahren, was geschehen ist, und ist uns nachgelaufen. Nun kommt er geradewegs auf mich zu. Die anderen Männer weichen zurück. Sein Gesicht ist leer.
    »Das ist einer von denen, die sie verhext hat«, höre ich Agnes ihren Anhängern zuflüstern. »Wir wollen sehen, ob der Bann jetzt gebrochen ist.«
    Hilf mir
, will ich ihn anflehen, aber ich bringe keinen Laut hervor. Er streckt die Hand aus, als wolle er mein Gesicht berühren, wie gestern Nacht in meinem Zimmer. Eine halbe Ewigkeit scheint das schon her zu sein! Wird er mich vor dem gedankenlosen Pöbel beschützen? Aber wie könnte er das? Wenn er mich verteidigt, werden sie das als Beweis ansehen, dass ich ihn verzaubert habe. Dann bin ich doppelt schuldig.
    Er nimmt mich am Kinn. Seine Geste ist beinahe zart. Langsam hebt er meinen Kopf und entblößt meine Kehle. Dann packt er den Kragen meines Mieders und reißt es entzwei, vom Ausschnitt bis zur Taille.
    Ich schreie auf. Ich bin nackt bis zur Hüfte. Die Menge johlt vor Vergnügen.
    Ich wirbele herum, um meine Nacktheit vor den Augen der anderen zu verbergen und mir die Stofffetzen vor den Körper zu halten. Rye hebt mich hoch und wirft mich über seine Schulter. Alles geschieht so schnell, dass es mir den Atem verschlägt. Ich will schreien, aber seine harte Schulter gräbt sich in meinen Magen, und ich bekomme keine Luft mehr.
    Er trägt mich zehn Schritte flussaufwärts. Meine Haut schrammt gegen den rauen Stoff seines Hemdes. »Sei still und lass mich dir helfen«, zischt er im Gehen. »Im Wasser würde dich dieses Kleid genauso schnell nach unten ziehen, als hättest du einen Mühlstein um den Hals gebunden.« Am Rand der Böschung setzt er mich grob auf dem Boden ab.
    »Steh auf, Hexe!«, brüllt er, so dass alle ihn hören können. Er reißt mich auf die Füße und dreht mein Antlitz meinen Anklägern zu. Ich will mich mit den Armen bedecken, mit den Haaren. Dann, mit einem rauen Schrei, packt Rye den Bund meines Rockes und reißt ihn mir vom Leib. Wieder schreie ich auf. Er tritt hinter mich und packt mich um die Taille. Er spricht so schnell und so leise, dass nur ich ihn hören kann.
    »Ich werfe dich an einer Stelle in den Fluss, wo keine Felsen sind. Wenn ich

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