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Die Poison Diaries

Die Poison Diaries

Titel: Die Poison Diaries Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryrose Wood
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Ufer ist nicht weit entfernt. Keuchend schlage und trete ich um mich wie ein Hund, bis ich schlammigen Grund unter den Füßen spüre. Ich packe eine nasse Baumwurzel, die sich mir wie zur Hilfe entgegenstreckt, und ziehe mich aus der Strömung. Mit Hilfe der Wurzel wuchte ich meinen Körper den Hang hinauf, über die glitschigen, bemoosten Felsen.
    Endlich habe ich die Steigung überwunden und liege auf ebenem Grund. Auf allen vieren krieche ich ein Stück, dann sinke ich in den Schlamm. Mein Leib verkrampft sich und ich würge das Wasser aus meinem Magen und meinen Lungen. Selbst in meinem erbärmlichen Zustand fühle ich die Augen der Zuschauer wie gebannt auf mir liegen. Niemand macht Anstalten, mir zu helfen.
    Endlich lassen die Krämpfe nach. Immer noch auf Händen und Knien kauernd, hebe ich mein schlammbespritztes Gesicht zu meinen Folterknechten empor. Ein paar sehen enttäuscht aus, dass ich noch am Leben bin. Einige sind erleichtert. Andere betrachten mich mit aufgerissenen Augen und Mündern. Mein nackter, zerschundener Körper ist mit Schlick und Algen übersät, wie die Galionsfigur eines Schiffswracks.
    Aber ich schäme mich nicht. Ich bedecke nicht einmal meine Blöße. Der Trotz verleiht mir Stärke und die Willenskraft, mich auf die Füße zu rappeln. Ich stehe da, schwanke leicht hin und her und lasse das Wasser über meinen nackten Leib zu Boden rinnen.
    Rye nähert sich mir als Erster. Noch im Gehen nimmt er seinen Mantel ab. Er streckt ihn mir entgegen.
    »Sie ist gesunken. Also keine Hexe, wie es scheint«, verkündet er den Zuschauern missmutig. »Hier, bedecke dich, Mädchen. Es ist nicht nötig, dass du die Männer rasend machst. Das führt nur dazu, dass sie nachher ihre Pferde verprügeln.«
    In seinen Augen liegt Pein. Er hat mir das Leben gerettet. Er würde alles für mich tun. Der arme Kerl. Er hat keine Ahnung, wer ich wahrhaftig bin. Wenn er Glück hat, wird er es auch nie herausfinden.
    »Danke«, flüstere ich und will den Mantel nehmen.
    »Wartet! Geben Sie ihr nicht Ihren Mantel, Rye.« Schon wieder dieses Weib. Agnes. »Was hat sie mit ihrer Haut angestellt?«
    Ich schaue an mir herab. Meine Arme sind noch immer braun, aber fleckig, weil die Farbe während meines Kampfs im Wasser abgerieben wurde. Mein Gesicht und mein Hals sehen vermutlich nicht besser aus. Ebenholzschwarze Strähnen kleben an meinem halb braunen, halb weißen Gesicht, aber mein Rumpf und meine Schenkel sind elfenbeinfarben und die leichte Körperbehaarung ist flachsblond.
    Oberhalb meiner Ellbogen ist deutlich die Linie zu erkennen, wo die Färbung anfängt. Unterhalb meines Schlüsselbeins ist eine weitere. Ich verschränke meine dunklen Arme vor meinem bleichen Leib. Sie sehen aus, als gehörten sie jemand anderem.
    »Vielleicht keine Hexe – aber sie ist nicht die, die sie vorgibt zu sein.« Agnes’ Stimme wird schrill vor Misstrauen. »Wer bist du, Mädchen? Und warum gibst du dir solche Mühe, als jemand anderes durchzugehen?«
    Die Menge rückt näher, um meine Tarnung zu betrachten, wie ein Rudel Wölfe, die mich jeden Augenblick in Stücke reißen können. Rye schirmt mich mit seinem Körper ab. Er wendet sich mir zu, nimmt mein Handgelenk und zieht meinen Arm zu sich.
    Mich mit einer Hand festhaltend, zieht er den Zeigefinger seiner anderen Hand mit Druck über meinen fleckigen Unterarm. Seine Fingerspitze hinterlässt eine bleiche Spur auf der karamellfarbenen Haut.
    »Du hättest mir die Wahrheit sagen sollen, Rowan.« Sein Blick ist hart und seine Stimme resigniert. »Jetzt musst du sie ihnen sagen.«

Kapitel 9
    M an schleppt mich wieder zum Gasthof und stößt mich in einen der privaten Schankräume hinter der großen Gaststube. Ich trage immer noch Ryes Mantel. Irgendjemand hat mir noch eine grobe Decke über die Schultern geworfen. Dem süßen Tiergeruch nach zu urteilen, gehört sie einem der Pferde, die hier im Stall stehen.
    Mein Kleid liegt in Fetzen gerissen in der Ecke des Raums. Der Rest meiner Habseligkeiten ist auf dem Tisch ausgebreitet. Die Frauen durchwühlen sie wie geldgierige Angehörige die Hinterlassenschaften eines gerade verstorbenen und gänzlich ungeliebten Familienmitglieds.
    Der größte Teil der Menge hat sich wieder zerstreut: keine Hexe, kein Galgen und daher auch kein Grund, noch länger hier herumzulungern. Aber Agnes ist noch da. Verbissen sucht sie immer noch nach einer Möglichkeit, mich zu Fall zu bringen. Die beiden Frauen, mit denen ich beim Frühstück

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