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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Remédios. Der Ort erinnert den Reisenden an den Bom Jesus in Braga, auch wenn vieles anders ist. Aber genau wie dort führt eine lange, hohe Treppenanlage aufwärts, an deren Ende das Versprechen oder zumindest die Hoffnung auf Seelenheil liegt. Die Rocaille -Fassade ist schön anzusehen, doch der Innenraum mit seinem weißblauen Stuck ist ermüdend, wenn man nicht gerade wegen der remédios , der Heilmittel, der Nossa Senhora hier ist. Sehr gut gefällt dem Reisenden die szenische Anordnung des Portikus am unteren Treppenabsatz, die großen Statuen imaginärer Könige auf Sockeln, die von der Form her an die Propheten des Aleijadinho in Congonhas do Campo in Brasilien erinnern. Nicht dass der Reisende dort gewesen wäre, dessen kann er sich nicht rühmen, aber die Fotografien kennt jeder auf der Welt, und wer sie nicht gesehen hat, der will sie auch nicht sehen.
    Traurig ist, dass er nicht wenigstens für einen kurzen Moment einen Blick auf die Schöpfung der Tiere von Vasco Fernandes im Museum von Lamego werfen kann. Gern hätte er jenes wunderbare weiße Pferd gesehen, dem zum Einhorn nur das spitze, spiralförmige Horn fehlt. Gut möglich, dass der Ewige Vater eines Tages, wenn gerade keiner hinsieht, sein Werk vollenden wird. Auf dem Weg nach Ferreirim gelobt der Reisende, irgendwann einmal nach Lamego zurückzukommen. Wo man jemanden trifft, der einem ein Zimmer für die Nacht anbietet, da findet man auch ein Einhorn. Das eine ist nicht ungewöhnlicher als das andere.
    Ferreirim liegt in einem Tal, dem Becken des Rio Varosa. Die Landschaft ist von einer derart sanften Schönheit, die Bäume stehen wie aufgereiht hintereinander, überall winden sich schmale Wege hindurch, als wäre die Landschaft eine Folge von Transparenten, die der Reisende auf seinem Weg durchquert. Und das bleibt so auf der ganzen Strecke, von Ucanha nach Salzedas, von Tarouca nach São João de Tarouca, ohne Zweifel eine der schönsten Gegenden, in denen der Reisende je war, hier herrscht ein seltenes Gleichgewicht zwischen bebautem und unbebautem Land, zwischen Mensch und Natur.
    Es gibt eine Menge guter Gründe, nach Ferreirim zu fahren, aber einer würde schon genügen: die Gemälde in der Pfarrkirche, die acht Tafelbilder, die Cristóvão de Figueiredo zusammen mit Gregório Lopes und Garcia Fernandes gemalt hat, die heute gemeinsam als Meister von Ferreirim bezeichnet werden. Dieses ist das erste Ziel des Reisenden. Als er ankommt, steht er vor verschlossenen Türen und versucht es nebenan. Ein Mann in einem bunten Wollhemd und einer einfachen Hose öffnet. »Ja, kann ich Ihnen zeigen.« Er geht wieder hinein, braucht viel zu lange für den ungeduldigen Reisenden und kommt endlich mit einem Schlüssel in der Hand heraus. Sie betreten die Kirche durch eine Seitentür, ohne große Zeremonie. »Sehen Sie sich ruhig um.« Der Reisende läuft ein wenig umher, betrachtet ausführlich die großartigen Tafelbilder, die leider viel zu hoch hängen, und unterhält sich währenddessen mit seinem Begleiter, der, wie sich erweist, bestens informiert ist. So macht es Spaß. Sie unterhalten sich angeregt über ein Grabmal aus der Renaissance und die Überreste eines Bogens in der Wand. Der Reisende, der sich seit Miranda do Douro immer wieder bittere Beschwerden über Kirchenraub anhören musste und gleichzeitig von seinen eigenen Versuchungen traumatisiert ist, lässt sich zu einer schweren Anschuldigung hinreißen: »Manchmal sind die Pater die Schuldigen. Sie verkaufen kostbare Bilder, die von unschätzbarem künstlerischen Wert sind, um davon diese grauenhaften modernen Dinge zu kaufen, diesen dekadenten Kitsch, mit dem unsere Kirchen vollgestopft sind.« Mit dem grauenhaften Kitsch hat der Reisende recht. Aber was die Pater angeht, sagt der Mann mit dem Schlüssel: »Das stimmt nicht. Was vorkommt, ist, dass hier und da ein junger Küster für ein paar hundert Escudos die alten Bilder verkauft. Bevor der Pater etwas tun kann, ist es meistens schon zu spät.«
    An dieser Stelle bekommt der Reisende plötzlich einen Schreck, aber er beschließt, dem keine allzu große Bedeutung beizumessen. Der Besuch ist beendet, und der Mann will ihm die Überreste von besagtem Bogen von der Außenseite zeigen. »Ich habe immer bezweifelt, dass hier ein Durchgang war. Einmal war der Bischof von Porto hier, und als ich ihm erklärte, was ich meinte, sagte er: Hören Sie, Pater …« Den Rest hört der Reisende nicht mehr. Sein Schreck war berechtigt gewesen. Der

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