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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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sich aber nichts daraus gemacht. Er weiß, was er gewonnen hat: ein paar Kilometer reinstes Entzücken, dichter Wald, durch den das Licht in Strahlen, in Garben, in Wolken fällt, das Grün der Bäume in flimmerndes Gold verwandelt und dann das Gold in Lebenssaft, der Reisende weiß vor Begeisterung nicht, wohin er schauen soll. Der Wald von São Pedro de Muel ist einmalig. Andere Wälder mögen reicher an Arten und imposanter sein, doch keiner verdiente es mehr, von dem Völkchen der Gnome, Feen und Elfen bewohnt zu werden. Und er könnte wetten, dass das plötzliche Rascheln im Laub dort drüben von einem schlauen kleinen Zwerg mit roter Kappe verursacht wurde.
    Schließlich stößt er auf die normale Landstraße. Er fährt weiter nach Marinha Grande, der Stadt der Glashüttenkunst. Vielleicht hat sie sich, weil sie diese besitzt, nicht um den Erhalt anderer Künste gekümmert und sich ganz auf die Öfen und chemischen Mixturen konzentriert. Es ist, wie gesagt, eine Industriestadt, mit besonderem politischen Klima: Das verkündet sie auf sämtlichen Wänden, auf Spruchbändern, quer über die Straßen gespannt, selbst auf der Erde. Der Reisende fragt, wie man eine Glasfabrik besichtigen kann, und findet jemanden, der ihn hinführt, ihm die Türen öffnet und ihn bei der Besichtigung begleitet.
    Sie nennt sich Fabrik, kein Mensch käme auf die Idee, dass es eine ist: ein großer, zerlöcherter Schuppen, vor keinem Wind geschützt, mit ein paar gemauerten Anbauten als Lagerräume und für Arbeitsgänge, bei denen mehr Schutz erforderlich ist. Doch erweist sich die Fabrik, der Ort, wo das Glas hergestellt wird, als überraschend logisch – würden die Fenster geschlossen, die Löcher abgedeckt, wäre die Hitze unerträglich. Der konstante Luftzug sorgt für eine relativ kühle Raumtemperatur und wirkt sich – so überlegt der Reisende – vielleicht auf das Glas aus. Da sind die Öfen. Fauchend speien die Feuerdüsen unaufhörlich einen Flammenstrahl in die Öfen, in denen die rotweiße Schmelzmasse furchterregend brodelt und Blasen schlägt, eine winzige Sonne, aus der Gegenstände entstehen werden, die das Licht der echten Sonne einfangen und festhalten können. Wenn das Glas aus dem Ofen herauskommt, eine rote Kugel und so weich, als wollte sie von dem langen Rohr abfallen, würde man nie für möglich halten, dass sie durchsichtig wird, hauchdünn, als wäre die Luft selbst zu Glas gemacht. Doch die Farbe verflüchtigt sich schon. Dann wird die Kugel in eine Form gelegt, immer wieder gedreht und geblasen, bis sie hart ist, anschließend, noch glühend und von ihrer inneren Hitze irisierend, wandert sie, inzwischen ein Krug, an einer Klammer in der Luft abkühlend, zum nächsten Arbeitsgang. Das geschieht diszipliniert, nicht langsam, aber auch nicht schnell, im richtigen Tempo, um den Arbeiter, der das Stück transportiert, und das Stück selbst zu schützen.
    Die Männer bewegen sich in dem heißen, lauten Raum zwischen den alten Bretterwänden, als befolgten sie die Schritte eines Rituals. Es ist eine einfache Kette: Ein Mann transportiert immer ein Stück und reicht es an einen anderen weiter, wie ein Stafettenläufer, der immer denselben Weg zurücklegt und immer wieder an den Start zurückkehrt.
    Um ein wenig mehr über dieses Von-Hand-zu-Hand zu erfahren, geht der Reisende in die Werkstatt, wo die Gefäße geformt werden, die in den Ofen kommen, jene Gefäße, in denen die Bestandteile des späteren Glases mit einem Anteil fertigem Glas, der immer hinzugefügt wird, verschmelzen. Hier herrscht kein Lärm, die Tür ist ständig geschlossen, die Männer sprechen leise. Hier wird die Tonerde angefeuchtet und langsam mit den Füßen durchgewalkt, derart präzise, dass man es fast manisch nennen könnte – treten, zusammenschieben, treten, zusammenschieben –, und mit einer solchen Technik, dass alles bis zum allerwinzigsten Teil den gleichen Druck und dieselbe Feuchtigkeit erhält. Dieser Ton darf keinen Fremdkörper enthalten, auch nicht das kleinste Steinchen, nicht einmal die Erde, die man von draußen an den Schuhsohlen hereinträgt. Und die Herstellung des Gefäßes in der Form, die Passgenauigkeit von innen und außen, das Glätten, ja fast Polieren, das ist Bildhauerarbeit. Eine ständig wiederholte abstrakte Form, ein konkreter, an einem Ende geschlossener Zylinder, doch sieht der Reisende bei den Männern, die ihn herstellen, nicht das geringste Anzeichen von Überdruss, vielmehr große Liebe zu

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