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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Geschichte stimmt, die man dem Reisenden damals erzählt hat. Sie lässt sich in wenigen Worten wiedergeben: Zu Ehren des einweihenden und das Band durchschneidenden Staatspräsidenten wurden auf der Brücke bäuerliche Reiter verteilt; auf ein bestimmtes Signal hin ließen diese ihre Pferde piaffieren, was die Pferde in solch regelmäßigem Rhythmus taten, dass die gesamte Struktur zu schwingen begann und die Anwesenden in Schrecken versetzte. Und da man Pferden nicht erklären kann, wie man den Rhythmus wechselt, mussten alle anhalten, damit die Brücke sich beruhigen konnte und die Ingenieure auch. Der Präsident weihte ein, ging hinüber, und die Brücke stürzte nicht ein. Verärgert über die mangelnde Voraussicht schüttelten die Pferde die Ohren.
    Die Gegend, durch die der Reisende nun kommt, ist dicht besiedelt, die Dörfer liegen fast Tür an Tür, sie können einander von Traufe zu Traufe beobachten. Hier beginnt das Unbekannte. Was natürlich nicht wörtlich zu nehmen ist, denn die Hauptstadt ist nicht weit, doch wie anders soll man eine Gegend beschreiben, die kaum besucht wird, gerade weil es nur eine kurze Reise ist? So wird, was nah ist, fern, und was im Blickfeld liegt, verbirgt sich. Die Lissabonner Reisenden, die sich auf der Suche nach dem Glück voller Eile in Strömen auf Landstraßen, Schnellstraßen und Autobahnen ergießen, fragt dieser, der keine Eile hat, warum sie es nicht hier suchen (das Glück, das Reisen schenken, kein anderes), in Orten mit Namen wie Arruda dos Vinhos, São Quintino, Sobral de Monte Agraço, Dois Portos, Torres Vedras, um nur jene zu nennen, die er besucht hat.
    Und noch anrührender als die Dörfer ist die ruhige Schönheit der Landschaft, eine agrarische Landschaft, viel Wein, Obstplantagen, Gemüseanbau, das Gelände ständig gewellt, so regelmäßig, dass alles Hügel und gleich wieder Tal ist. Die Landschaft ist weiblich, weich wie ein liegender Körper, und lau an diesem Apriltag, auf den Böschungen blühen Blumen, fruchtbare Erde, die Rebstöcke treiben schon aus, schnurgerade gepflanzt, eine seltene Geometrie in unserem so inkonsequenten Land. Es gibt keine Handbreit Erdboden, in den sich nicht die Hacke gegraben hätte, seit der erste Mustafa sich hier unter dem Schutz der Soldaten des Propheten niederließ und später seine Nachkommen, inzwischen mit geänderten Namen und neuem Glauben, unter neuen Herren, doch immer auf der Hut. Der Reisende fährt durch einen Garten, der nicht nach Rosen zu duften braucht.
    In Arruda dos Vinhos findet er an einer Kirche, die mit ihrer glatten Fassade nicht ins Auge fällt, ein schönes manuelinisches Portal, bemerkenswert ausgewogen, nur gerade in dem Maße verziert, dass der Schmuck sich der Struktur harmonisch anpasst. Der Reisende fragt sich, warum er so überrascht ist, und kommt zu dem Schluss, dass er, nachdem er in eine topographisch und landschaftlich so ganz andere Welt gekommen ist, unbewusst auch eine andere Architektur erwartet hat. Das sind Geheimnisse des Denkens, die hier aber nicht geklärt werden müssen. Im Innern ist die Kirche harmonisch mit ihren am Schaft geringelten Säulen und sehr schönen Azulejos mit Szenen aus dem Leben der Heiligen.
    Auf den Hügeln oder auch an ihrem windgeschützten Fuß stehen zahlreiche Bauernhäuser, teils zum Wohnen, teils für die Arbeit genutzt. Es sind palastgroße Gebäude von schlichter Bauart, doch so gut in die Landschaft integriert, dass jedweder Neubau im heutigen aberwitzigen Stil wie eine brutale Aggression sowohl gegen seine Umgebung als auch gegen den Betrachter wirkt, dessen Blick anderen Einklang gewohnt ist. Viele dieser Häuser sehen vernachlässigt aus – die Besitzer leben nicht hier, manche bewohnen nur einen Teil des Hauses, oder neue Eigentümer kümmern sich nicht um die Instandhaltung. Der Unterhalt solcher Häuser kostet heute ein Vermögen, wer weiß, ob die Landwirtschaft dafür genug abwirft. Wie dem auch sei, wer das Land bearbeitet, kann nicht weit wegziehen – die großen Häuser sind wie Landmarken, Bezugspunkte einer Reise, die immer wieder zu derselben Scholle und denselben Arbeiten führt, pflügen, säen, pflanzen, düngen, jäten, ernten, derselbe Anfang und dasselbe Ende, der wahre immerwährende Kreislauf, den niemand zu erfinden brauchte, denn er ergibt sich aus der Notwendigkeit.
    Nach São Quintino führt ein Weg, der sich zunächst in der Senke einer Kurve der Hauptstraße verbirgt und sich dann gabelt, was bedeutet, dass der

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