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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Die Straße ist wirklich nicht drauf. Als die Kartographen die Karte zeichneten, gab es noch keine Straße von Baleal nach Peniche. Aber es muss eine Straße nach Peniche geben.
    Der Reisende nimmt die Straße, die es inzwischen gibt, folgt der weiten Nordkurve, lässt das Kap Carvoeiro vorläufig rechts liegen und fährt gen Süden hinunter nach Peniche. Dort angekommen, erkundigt er sich nach dem Fahrplan der Boote zu den Berlenga-Inseln. Der Reisende hat schon mehrfach bewiesen, dass er naiv ist, also wundere man sich nicht über diesen weiteren Beweis. Dachte er doch, man könne zu den entlegenen Inseln fahren, so wie man einen Bus oder einen Zug nimmt. Kann man aber nicht. Regelmäßige Verbindungen gibt es ab Juni, und heute ein Fischerboot mieten, das ihn dahin bringt, das geht nur aus dringendem Grund und für viel Geld, gemessen an seinem Portemonnaie. Der Reisende steht wie die personifizierte Trostlosigkeit am Kai, als könnte niemand ihn so bald aus seiner tiefen Kränkung lösen, da aber der Körper bekanntermaßen seine eigenen Reaktionen hat, findet der Kummer seinen Ausgleich in plötzlichem heftigem Hunger. Wenn es keinen Ausweg gibt, ist der Reisende aus uralten atavistischen Gründen Fatalist – was nicht zu ändern ist, ist eben so. Zu den Berlenga-Inseln fahren ist nicht möglich, also geht er Mittag essen.
    Das Leben nimmt mit der rechten Hand und gibt mit der linken oder umgekehrt. Der Reisende bekommt die Berlenga- Inseln auf dem Teller serviert, die Inseln und das ganze Meer drum herum, das tiefe blaue Wasser, die klingenden Grotten, die Festung São João Batista, die Rundfahrt im Ruderboot. Das alles passt in eine Scheibe Barsch? Ja, und es bleibt noch Fisch übrig. Durch das Fenster sieht er das Meer, das glitzernde Licht, das über die Wellen tanzt, verspürt noch einen Hauch Bedauern, dass er sie in diesem Augenblick nicht durchpflügen kann, dann wendet er sich nahezu selig wieder dem von Neptuns Tisch geraubten Manna zu, Neptun, der inzwischen verärgert die Nixen und Tritonen fragt, wer den ihm zum Mittagessen bestimmten Fisch verspeist hat. Hoffentlich schickt der Meeresgott in seinem Zorn kein Unwetter. Eine große Gruppe Engländer ist gerade ins Restaurant Gaivota hereingekommen. Fast alle bestellen Steak. Diese Angelsachsen sind doch Barbaren.
    Heute ist Markttag in Peniche. Auf dieser Straßenseite stehen große, fast schwebende, mit Planen abgedeckte Stände, die Tagesdecken, Vorhänge und Bettwäsche verkaufen, sie sehen wie regelrechte mittelalterliche Turnierpavillons aus, es fehlt nur, dass Ritter auf dem Platz erscheinen, um die Ehre der Damen zu verteidigen, bevor sie wieder Mauren und Kastiliern die Rippen brechen. Drüben liegt die Festung von Peniche, vormals ein Gefängnis, heute stehen ihre Tore offen. Der Reisende betrachtet die dicken Mauern, denkt nicht mehr an Amadis und Oriana und gibt sich anderen Überlegungen hin, zum Beispiel der Frage, wohin die Häftlinge von hier geflohen sein mögen. Der Hafen Ribeira ist ein Wald von Schiffsmasten, ein Gewimmel von leuchtend bunten Bootsrümpfen, die Sonne funkelt überall, als steckte sie in den Dingen und kämpfte, um herauszukommen. Wie ein Mensch, der in sich einen Menschen hat, seine eigene Sonne. Der Reisende beschließt nun, zum Cabo Carvoeiro zu fahren, die einzige Möglichkeit, in die Nähe der Berlenga-Inseln zu kommen, sie wenigstens von weitem zu sehen. Ein undankbarer Mensch, der Reisende – eben noch fand er sich durch den Barsch auf seinem Teller entschädigt, schon träumt er wieder von den Inseln. Er sollte sich mit diesen Bootsnamen – Nau dos Corvos, Passos de Leonor und Laie de Frei Rodrigues – zufriedengeben und glücklich sein, denn dazu hat er Grund genug.
    Es ist Zeit, sich die Kunst anzusehen, nicht die des Fischfangs, sondern die Malerei und andere bildende Künste. Die Kirche São Pedro mit ihren Ergänzungen aus dem 18. Jahrhundert begeistert den Reisenden nicht, und in der Kirche Misericórdia, wegen ihrer Kassettendecke berühmt, sind die Handwerker. Die Kassetten wurden ausgebaut und in Sicherheit gebracht, der Reisende sieht nur Gerüste, angestrengte Maurer, eine Betonmischmaschine dreht sich, da kann man nichts machen. Zum Glück gibt es noch die Kirche Nossa Senhora da Conceição als Entschädigung für die vorherigen Enttäuschungen und nun auch diese. Die Decke ist herrlich mit Blumen, Engeln und Voluten in warmen Farben bemalt, die sehr gut zu den blauweißen Azulejos der

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