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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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nach dargestellt ist, sowie die theatralische Wiederauferstehung . Von dort fährt der Reisende zur Kapelle Nossa Senhora do Socorro außerhalb des Ortes. Daneben steht ein Haus, doch dort ist nur ein Hund anwesend, ein wunderbares Tier, das, ganz gegen Hundegewohnheiten, den Reisenden freundlich begrüßt. Anscheinend langweilte er sich allein, denn er freut sich so sehr, dass man meinen könnte, er habe gedacht, der Besuch gälte ihm. Der Reisende ruft, und schließlich erscheint hinten vom Grundstück eine Frau. Nach der Begrüßung und den nötigen Erklärungen sagt der Reisende: »Ihr Hund passt aber gar nicht auf. Er hat mich begrüßt, als wäre ich ein alter Bekannter.« Worauf die Frau antwortet: »Was soll er denn machen, der Arme, er ist doch noch so jung.« Der Reisende überlegt und findet, das sei ein gutes Argument. Und der Hund auch, denn er hört gar nicht mehr auf zu wedeln.
    Die Kapelle hat sehr schöne Kassetten mit dekorativen Motiven und sehenswerte Azulejo-Paneele mit Szenen aus dem Leben der Jungfrau Maria. Unten an einer der Umrandungen neben der Hauptkapelle findet sich die Inschrift, dass die Azulejos dort 1733 angebracht wurden, als ein gewisser António Gambino Richter im Ort war. Wohlgemerkt: Der Künstler hat sein Werk nicht signiert, aber der Richter, der es bezahlt hat, mit dem Geld der Gemeindemitglieder, versteht sich, konnte sich in seiner Eitelkeit nicht bremsen und ließ seinen Namen in Schönschrift für die Nachwelt anbringen. Fortan dürfte António Gambino, ganz verzückt beim Anblick seines eigenen Namens, den Gottesdiensten wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben. Na gut, weit Schlimmeres hat Herostratos getan, als er, um seinem Namen Unsterblichkeit zu sichern, im Artemistempel von Ephesus Feuer legte.
    Der Reisende stellt fest, dass er heute einen starken Hang zur Geschichte hat. Er hat von italienischen Kaufleuten und portugiesischen Entdeckern gesprochen, von französischen Invasoren und griechischen Brandstiftern, von Juden, die Enthauptungen befahlen, und Sklaven, die um den Hals das Zeichen einer anderen Enthauptung trugen, und das alles mit der Leichtigkeit dessen, der das Terrain, auf dem er sich bewegt, nicht weiter vertiefen muss. Also begibt er sich nun auf die Straße, die alle benutzen, um von Bombarral nach Lourinhã zu gelangen, wo es das berühmte Bild des heiligen Johannes auf Patmos zu sehen gibt. Dieser heilige Johannes, überflüssig zu sagen, ist der Evangelist, und er befindet sich auf der Insel Patmos, um die Apokalypse zu schreiben. Wer das Bild gemalt hat, ist nicht bekannt. Man nennt ihn den Meister von Lourinhã, denn irgendeinen Namen musste er haben, damit das Einordnungsbedürfnis der Betrachter befriedigt werden konnte. Das Bild ist wunderbar, mit seinem Hintergrund aus Häusern und Mauern, Straßen, in denen Menschen ihrem jeweiligen Tun nachgehen, als läge vor ihnen ein ewig währendes Leben, so wie es heute ist, wenn es besser schon nicht werden kann, während der Heilige über das Ende der Zeit schreibt. Der Reisende ist davon überzeugt, dass der Meister von Lourinhã niemals die Apokalypse gelesen hat, sonst hätte er nicht diese ruhige Stimmung gemalt, den so friedlichen breiten Fluss, die Barken und Galeonen, die windstillen Bäume. Um einen heiligen Johannes beim Verfassen der Apokalypse zu malen, bedurfte es eines Bosch, und selbst dieser ist auf seinem Bild, das in Berlin-Dahlem hängt, nicht so weit gegangen, wie das Thema es erforderte.
    Ebenfalls exzellent, wenn auch nicht so bekannt, ist Johannes der Täufer , der im selben Raum, der Sala do Despacho da Misericórdia, neben anderen Gemälden gezeigt wird. Darunter entdeckt der Reisende ein Bild von der Jungfrau Maria aus dem 16. Jahrhundert, umrandet von liturgischen Symbolen, die ohne Rücksicht auf Zusammenhänge angeordnet sind, vermutlich nur zu rein didaktischem Zweck: Bei der Betrachtung des Bildes kann jeder Gläubige die Attribute der Maria erkennen und sich über die visuelle Darstellung einen Ausdruck einprägen, der so leicht ungehörig verballhornt werden kann wie in dem Roman A Morgadinha von Júlio Dinis, wo die Tanten von Henrique de Souselas turris eburnis zu turris e burris machen.
    Der Reisende muss seine Neigung zum Abschweifen zügeln. Zum Glück zieht der feierliche runde Konferenztisch mit vier gleichen, im Bogen angeordneten Stühlen und einem separaten, dem des Vorsitzenden, seine Aufmerksamkeit auf sich. Es sind hervorragend gearbeitete Möbel. Die

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