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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Dann spaziert er um die Burg herum, betrachtet die Landschaft und entscheidet sich schließlich für die Seite, die sich weit und flach nach Norden bis zu der kleinen Anhöhe vor dem Horizont dehnt. Solche Betrachtungen haben den Vorteil, dass man einen Ort zwischen anderen situieren kann. Für den Reisenden ist Óbidos nicht nur eine Stadt mit Menschen, zu vielen Blumen in den Straßen und schönen Gemälden und Skulpturen. Es ist auch ein Teil der Landschaft, eine Erhebung, eine Falte aus Erde und Stein. Man könnte meinen, damit reduzierte sich die Dimension dessen, was die Menschen geschaffen haben. Doch so denkt der Reisende nicht.
    Orte mit dem Namen Carvalhal gibt es viele in Portugal. Manche gepflegt, manche mittelgroß, manche rund, manche im Singular, andere im Plural, aber sie alle erinnern daran, dass es Zeiten gab, da wuchsen in Portugal Eichen zuhauf, diese wunderbaren Bäume, von denen keiner die Früchte wollte, aber alle das Holz. Um nützlich zu sein, musste die Eiche sterben. So viele wurden getötet, dass sie fast ausstarben. Mancherorts ist nur noch der Name übrig, und wie wir wissen, stirbt der Name zuletzt.
    Dieses Carvalhal hat man früher, um es von den anderen zu unterscheiden, Carvalhal de Óbidos genannt. Hier gibt es einen Turm, den Turm der Lafetás, denn so wurde eine Familie genannt, die Ende des 15. Jahrhunderts aus Cremona nach Portugal gekommen war und den Turm sowie andere Besitztümer ihr Eigen nannte. Dass diese Familie nach Portugal kam, soll nicht heißen, dass alle Lafetás kamen. Sie waren im 15. und 16. Jahrhundert steinreiche Bankiers, ein mächtiges Handelshaus, das seinen Geschäften in Portugal, Spanien, Frankreich, England und Flandern nachging. Die Affaitati, die Königen Geld liehen und mit Zucker und Pfeffer handelten, tauchen in dieser Geschichte auf, um daran zu erinnern, dass auch die Entdeckungen anderer Länder ein Riesengeschäft waren, vor allem aber wegen eines Sklaven, den sie in Carvalhal besaßen. In dem hiesigen Turm wurde vor langer Zeit ein Halsband gefunden, darin eingraviert die Worte: »Dieser Neger gehört Agostinho de Lafetá aus Carvalhal de Óbidos.« Der Reisende weiß nichts weiter über diesen Sklaven, dem man das Halsband vermutlich erst nach seinem Tod abgenommen hat. Dann lag es wohl irgendwo herum, vielleicht haben die Kinder von Agostinho de Lafetá und seiner Frau Dona Maria de Távora damit gespielt, und unter Umständen hat man nach seinem Vorbild jene Hundehalsbänder angefertigt, wie sie noch heute benutzt werden: »Ich heiße Pilot. Wer mich findet, benachrichtige bitte meinen Besitzer.« Dann folgt eine Anschrift und eine Telefonnummer. Trotzdem gibt es einen Fortschritt. Auf dem Halsband des Sklaven von Agostinho de Lafetá stand nicht einmal ein Name. Wie man weiß, hatten Sklaven keinen Namen. Wenn sie starben, hinterließen sie folglich nichts. Nur ihr Halsband, das dann für den nächsten Sklaven benutzt werden konnte. Wie viele Sklaven, fragt sich der Reisende fasziniert, mögen dieses Halsband getragen haben, immer dasselbe, solange es Sklavenhälse gab, um die es passte? Der Reisende erhält die Information, dass sich das Halsband in Lissabon befindet, im Museum für Archäologie und Völkerkunde. Er nimmt sich mit der dem Fall angemessenen Feierlichkeit selbst das Versprechen ab, dass ihn, wenn er nach Lissabon kommt, sein erster Gang dorthin führen wird. Eine so große, so reiche, so berühmte Stadt, in der alle einheimischen und auswärtigen Lafetás ihre diversen Geschäfte machten, kann man auf vielerlei Art angehen. Der Reisende wird mit einem Sklavenhalsband beginnen.
    Um die Kirche Sacramento besichtigen zu können, muss er all seine Überredungskünste aufbieten. Die Frau mit dem Schlüssel begegnet ihm zunächst mit Misstrauen, obwohl sie, wie sie sagt, zugeben muss, dass der Reisende sympathisch aussieht, und nachdem sie sich schließlich hat überreden lassen, nimmt sie eine Begleiterin mit. Dem Reisenden wird erklärt, es habe zwei Diebstahlsversuche gegeben, und in der Nähe, in A dos Ruivos, seien alle oder fast alle Bilder gestohlen worden. Solche Klagen hat der Reisende im ganzen Land zu hören bekommen und so häufig, dass man den Eindruck hat, in den letzten Jahren sei mehr gestohlen worden als während der französischen Invasionen. Die Bilder in der Sakristei, aufgestellt auf dem, was vom Renaissance- Altaraufsatz übrig ist, sind interessant, vor allem das Abendmahl , auf dem die Tafel der Länge

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