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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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des manuelinischen Stils. Er stellt nur fest, dass ein solcher Wiederaufbau allein dank eines traumatischen Schocks wie ein Erdbeben möglich war und ist. Damals sind nicht nur Häuser und Kirchen eingestürzt. Auch die kulturelle Verbindung zwischen der Stadt und ihrer Bevölkerung zerbrach.
    Der Rossio schützt sich besser. Der Platz, an dem viel Durchgangsverkehr zusammenströmt, öffnet sich nicht wehrlos dem Verkehr, und genau das hält die Passanten fern. Der Reisende kauft bei einem der Blumenstände am Brunnen eine Nelke, wendet dem Theater, dem man verweigert hat, es nach dem Dichter Almeida Garrett zu benennen, den Rücken und folgt dem Auf und Ab der Rua da Madalena in Richtung Kathedrale. Unterwegs erschreckt ihn das zyklopische Reiterstandbild von Dom João I. auf der Praça da Figueira, ein Paradebeispiel für das bildhauerische Problem, das wir nur selten zu bewältigen vermocht haben: Fast immer ist es zu viel Pferd und zu wenig Mann. Machado de Castro hat unten auf dem Terreiro do Paço gezeigt, wie man es macht, aber das haben nur wenige verstanden.
    Die Kathedrale hätte um ein Haar die im 17. und 18. Jahrhundert vorgenommenen Umbauten nicht überlebt, einige bedingt durch das Erdbeben, aber allesamt rücksichts- und geschmacklos. Zum Glück hat man die Front restauriert, sodass sie nun in ihrem militärischen Festungsstil schöne Würde ausstrahlt. Sie ist sicherlich nicht die schönste Kirche in Portugal, doch trifft dieses Adjektiv ohne weiteres auf den Chorumgang und die Kapellen in der Apsis zu, ein wunderbares Ensemble, das seinesgleichen sucht. Auch die Kapelle von Bartolomeu Joanes in französischer Gotik ist sehenswert. Erwähnt sei ebenfalls das Triforium mit seinen so harmonischen Bögen, dass das Auge darauf verweilen will. Und für den Besucher mit einer romantischen Ader gibt es das zu Tränen rührende Grabmal der Unbekannten Prinzessin. Bemerkenswert sind ebenfalls die Sarkophage von Lopo Fernandes Pacheco und seiner zweiten Frau Maria Vilalobos.
    Bislang hat der Reisende noch nicht vom Castelo de São Jorge gesprochen, der nach dem heiligen Georg benannten Burg. Schaut man von unten zu ihr hinauf, wird sie fast von der Vegetation verdeckt. Eine Festung während so vieler und so ferner Schlachten zu Zeiten der Römer, Westgoten und Mauren, heute mutet die Burg eher wie ein Park an. Der Reisende hat seine Zweifel, ob das besser ist. Im Kopf hat er die Grandeur der eindrucksvollen Ruinen von Marialva und Monsanto, hier ist letztlich, trotz der Restaurierungsarbeiten, mit denen im Prinzip die Erinnerung an den Festungscharakter der Burg wiederhergestellt werden sollte, der umherspazierende weiße Pfau oder der auf dem Burggraben schaukelnde Schwan wichtiger.
    Der Ausblick über die Umgebung lässt die Burg vergessen. Kaum vorstellbar, dass der Edelmann Martim Moniz in diesem Tor zu Tode gequetscht wurde. Es ist immer das Gleiche – einer opfert sich, und die anderen bekommen eine Grünanlage.
    Der Reisende hat bislang keine große Zuneigung zu der portugiesischen Kunst des 17. Jahrhunderts bewiesen, deren Blütezeit der sogenannte ciclo joanino ist, mit zahlreichen Schnitzereien und vielen Importen aus Italien, wie in Mafra zu sehen. Zunächst einmal wirkt es wenig phantasievoll, sofern es nicht als raffinierte Schmeichelei gedacht ist, Kunstrichtungen nach Monarchen zu bezeichnen, die für diese Kunst keinen Finger gerührt haben – die Engländer haben ihren elisabethanischen und viktorianischen Stil, wir haben den manuelinischen und joaninischen, um nur diese als Beispiel zu nennen. Das zeigt, dass die Völker oder jene, die für sie sprechen, noch immer glauben, nicht ohne Vater oder Mutter auskommen zu können, auch wenn, wie in diesem Fall, solche Elternschaft pure Einbildung ist. Aber schließlich besaßen die Könige Autorität und die Macht, über das Geld des Volkes zu verfügen, und aufgrund dieser Fixierung auf Elternschaft haben wir dem König Dom João V zu danken, der aus Freude über die Geburt eines Thronfolgers die Kirche Menino-Deus bauen ließ. Der Entwurf der Kirche wird dem Architekten João Antunes zugeschrieben, einem Mann, der etwas von seiner Kunst verstand, wie man bei einem Blick auf dieses großartige Bauwerk feststellen kann. Der italienische Einfluss war nicht zu vermeiden, doch überdeckt er zumindest nicht den heimischen Geschmack, der sich in der geglückten Verwendung von Azulejos manifestiert. Mit ihrem achteckigen Schiff besitzt die Kirche

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