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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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wunderschön, aber für den Reisenden, der von Kreuzgängen ganz bestimmte Vorstellungen hat, nicht überwältigend. Er leugnet dessen Schönheit nicht, findet ihn aber allzu verschnörkelt und überladen, wenngleich er meint, unter dem Mantel des Zierrats die Harmonie der Struktur, die Ausgewogenheit der großen Steinmassen zu erkennen, kräftig und leicht zugleich. Dennoch gilt ihm nicht die große Liebe des Reisenden. Sein Herz schlägt für andere Kreuzgänge, die er unterwegs gesehen hat. An diesem hat sich nur sein Auge erfreut.
    Der Reisende hat noch nicht die Portale erwähnt – das Südportal zum Fluss hin und das Westportal am Achsenende der Kirche. Beide sind wunderschön, wie Filigran gearbeitet, doch obwohl das erste prächtiger ist, weil es sich über die gesamte Höhe der Fassade erstreckt, gilt die Vorliebe des Reisenden dem anderen, vielleicht wegen der herrlichen Figuren von Dom Manuel und Dona Maria, eine Arbeit von Chanterenne, vermutlich aber wegen der Verbindung von vorwiegend gotischen und Renaissance-Elementen, praktisch ohne manuelinischen Einfluss, in der Ausschmückung. Oder es ist einfach die schon mehrfach bewiesene Vorliebe des Reisenden für das eher Schlichte, Strenge. Das kann sehr gut sein. Andere haben einen anderen Geschmack, und das ist für alle besser.
    Nun vor die Wahl zwischen Marine-Museum und Kutschenmuseum, zwischen verschiedenen Transportmitteln zu Wasser und anderen zu Land gestellt, beschließt der Reisende, zum Turm von Belém zu gehen. In einem Augenblick, als das Reimeschmieden ihm leichtfiel, Vaterlandsliebe aber schwer, hat ein Dichter einmal gesagt: »Só isto fazemos bem, torres de Belém .« (»Nur eins können wir gut, Türme von Belém bauen.«) Der Reisende teilt diese Meinung nicht. Er ist genug herumgekommen, um zu wissen, dass wir auch anderes gut gemacht haben, und soeben hat er die Kuppeln im Jerónimos besichtigt. Carlos Queirós hat entweder so getan, als hätte er sie nie gesehen, oder sich mit dem Reim auf den Turm aus der Affäre gezogen, weil er keinen passenden Reim auf Jerónimos fand. Wie dem auch sei, der Reisende kann nicht erkennen, von welchem militärischen Nutzen dieses Juwel gewesen sein kann mit seiner wunderbaren, dem Tejo zugewandten Terrasse, die sich erheblich besser zum Beobachten von Regatten eignet als zum Ausrichten von Kanonenrohren. Erwähnt sei, dass der Turm niemals in einer Schlacht benutzt wurde. Zum Glück. Man stelle sich nur vor, welche Zerstörung die im 16. Jahrhundert gebräuchlichen Bombarden oder Kettenkugeln an diesem steinernen Spitzenwerk angerichtet hätten. So kann der Reisende die übereinandergebauten Räume besichtigen, nach oben zu den Ausgucktürmen steigen, auf der Terrasse zum Fluss hin erscheinen, dabei bedauern, dass er nicht sich selbst an einem so schönen Ort sehen kann, und schließlich hinunter ins Verlies gehen, wo Gefangene gehalten wurden. Eine Manie des Menschen: Kaum sieht er ein finsteres Loch, denkt er daran, einen anderen Menschen darin einzusperren.
    Im Marine-Museum hat der Reisende nicht viel Zeit verbracht und im Kutschenmuseum noch weniger. Boote, die nicht im Wasser liegen, machen ihn traurig, prunkvolle Kutschen langweilen ihn. Dabei können die Boote, dem Himmel sei Dank, noch in den Fluss gesetzt werden, wohingegen es lächerlich anzusehen wäre, wenn so eine Kutsche über die Straßen oder Autobahnen schaukelte wie eine unbeholfene Schildkröte, die schließlich ihre Beine und ihren Panzer unterwegs verlieren würde.
    Aus diversen guten Gründen und einem noch besseren (die Spinnweben aus dem Kopf treiben) geht der Reisende dann ins Museum für Volkskunst, Museu de Arte Popular. Das ist ein Labsal. Aber es wirft auch viele Fragen auf. Als Erstes würde der Reisende die ganze Sammlung in zwei Gebiete unterteilen, die beide beträchtlich erweitert werden könnten: einerseits die eigentliche Volkskunst, andererseits die Kunst der Arbeit, was nicht bedeuten würde, zwei Museen einzurichten, sondern die Verbindung zwischen Arbeit und Kunst sichtbarer zu machen, zu zeigen, dass Kunst und Nützliches, Objekt und sinnlicher Genuss sich miteinander vereinbaren lassen. Womit nicht bestritten werden soll, dass dieses Museum eine außerordentliche Lektion über die Schönheit der Objekte bietet, doch leidet es an der Ursünde, die Gegenstände auf simple Art in gar nicht simplen ideologischen Absichten auszustellen, wie es jene waren, die der Gründung und Einrichtung des Museums zugrunde

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