Die Portugiesische Reise (German Edition)
für moderne Kunst in der Via F. Scarpellini, wie den ausgetauschten Karten mit den Namen von hier und den Namen von dort zu entnehmen, es ist doch nichts einfacher, als Freundschaft zu schließen. Gemeinsam betreten sie alle die Kirche. Que maravilha , sagt der Reisende. Che meraviglia , sagen die Eltern Baldassarri, nur das Mädchen sagt nichts, es lächelt lediglich über diese Erwachsenen, die sich wie Kinder benehmen.
Die Kirche von Mértola ist so wunderschön, wie es in zwei Sprachen gesagt wurde. Schon draußen haben sich die italienischen und portugiesischen Augen an den abgeschrägten Zinnen, den Strebebögen, den runden Türmchen, den konischen Turmspitzen und dem Renaissance-Portal gelabt, das mit allem anderen nichts zu tun hat, aber trotzdem dazu passt. Und drinnen, beim Anblick der fünf Kirchenschiffe, des großen Mittelraums, der gotischen und Hufeisenbögen, der abgesenkten Kuppeln und der naiven Malereien, die längs der Wände die Stationen des Kreuzes darstellen, so wie der Senhor da Cana Verde , ein Christus mit gefesselten Händen und rotem Umhang, der ihm von den blutigen Schultern rutscht, als Abbild des leidenden, gequälten, entrechteten und verhöhnten Menschen, vergisst der Reisende sogleich seine neuen römischen Freunde, was nicht fair ist. Die Baldassarris hören gar nicht auf mit bewundernden Ausrufen, das Mädchen lächelt immer noch, wie mögen ihre Erinnerungen aussehen, wenn sie in Rom an ein Städtchen zurückdenkt, das eine Kirche hat, wo einmal eine Moschee stand, und damals, als ihre fernen römischen Vorfahren hier waren, Myrtilis hieß.
Es ist an der Zeit, sich zu trennen. Die Baldassarris fahren von hier nach Monsaraz, der Reisende fährt weiter in den Süden. Man wünscht einander gute Reise, buon viaggio , lächelt sich an und drückt die Hand, wer weiß, ob man sich noch einmal wiedersieht. Der Reisende verlässt Mértola, begibt sich auf die Landstraße, nun ist die Landschaft nur noch unwirtlich und rau, wer es nicht wüsste, würde nicht glauben, dass drunten im Süden, am Meer, das Land der Herrlichkeit liegt, der Honigtopf, zu dem die Ameisen eilen. Der Reisende tut seine Pflicht: Er reist und berichtet, was er sieht. Falls es den Anschein hat, dass er nicht alles sagt, liegt es an ihm oder an mangelnder Aufmerksamkeit des Lesers. Doch manche Dinge sind eindeutig. Zum Beispiel, dass hier, am Rio Vascão, die Geographie beschließt, dass nun der Algarve beginnt. Es wurde auch Zeit.
Vom Algarve, von Sonne,
trockenem Brot und weichem Brot
Der Direktor und sein Museum
Als der Reisende nach Alcoutim hereinfährt, erblickt er oberhalb des Ortes auf einem Hügel eine runde, massive Burg, die eher nach einem geschleiften Turm denn nach einer komplexen militärischen Anlage aussieht. Wegen des weiten Blicks würde sich ein Abstecher dorthin lohnen, denkt er. Doch er fährt nicht hinauf. Von der Perspektive getäuscht, glaubt er, der Hügel befinde sich noch auf portugiesischem Gebiet. Doch um dorthin zu gelangen, hätte er einen Bootsmann engagieren, den Guadiana überqueren und den Pass vorzeigen müssen, und damit wäre es eine ganz andere Reise geworden. Auf der anderen Seite liegt Sanlúcar, und man spricht eine andere Sprache. Aber die beiden Städtchen oberhalb des Wasserspiegels müssen sich wie voneinander gespiegelt empfinden, das gleiche Weiß der Häuser, die gleiche stufenförmige Anordnung wie bei einem Altaraufsatz. Auch beim Lachen und Weinen dürfte es keine großen Unterschiede geben.
Wohin der Reisende auch kommt, überall sucht er das Gespräch. Jeder Anlass ist recht, und eine ehemalige Kapelle, die nun als Tischlerei und Lagerraum für Kisten genutzt wird, mag vielleicht nicht der beste Anlass sein, doch er tut es auch. Zumal im Hintergrund noch ein Altar steht und darauf ein Heiliger. Der Reisende fragt, ob er hereinkommen darf, die Skulptur ist wirklich hübsch, ein heiliger Antonius mit einem Kind auf dem Arm, wie kommt es, dass er hier zwischen Hammerschlägen und Hobelarbeiten steht und kein Gebet ihn tröstet? Die Unterhaltung findet draußen statt, auf den Stufen der Kapelle, und der Mann, klein, mager, knapp sechzig Jahre, wenn nicht schon drüber, antwortet: »Der kam im spanischen Bürgerkrieg den Fluss runter, ich hab ihn rausgefischt.« Nicht ausgeschlossen, denkt der Reisende, der Krieg war vor gut vierzig Jahren, der Mann muss damals um die fünfzehn gewesen sein. »Nein, verkaufen tue ich den nicht. Der steht hier, wer will,
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