Die Portugiesische Reise (German Edition)
kann ihn ansehen, und damit basta.«
Unterdessen ist ein Polizist dazugekommen, von Haus aus oder von Berufs wegen neugierig. Er ist jung, mit breitem, ständig lächelndem Gesicht. Während der gesamten Unterhaltung sagt er kein einziges Wort. »Neulich war der Priester hier, ein dünner Mann, ganz krumm, er ist reingekommen und hat sich hingekniet, lange Zeit war er da, dann ist er zu mir gekommen mit seinem Kauderwelsch, ja, richtiges Kauderwelsch, der ist nämlich Ire, ein Jahr ist er erst hier, angeblich ist er aus seinem Land geflohen, acht Tage hat er sich in einem Teerfass versteckt, als sie die da verfolgt haben, wann, nein, das weiß ich nicht, und jetzt lebt er hier, also, der hat zu mir gesagt, der Heilige müsse in die Kirche zu den anderen Heiligen, aber ich hab ihm geantwortet, wenn einer wagt, den wegzuholen, der kriegt eins mit der Latte über den Rücken, dass er es sein Leben lang nicht vergisst, da hat der Priester den Schwanz eingezogen, und wenn er jetzt vorbeikommt, dreht er den Kopf weg, als ob er hier den Teufel sieht.« Alle lachen, auch der Reisende, doch im Grunde tut ihm der Priester Leid, so allein in einem fremden Land, dabei wollte er doch nur den Heiligen zur Gesellschaft haben, vielleicht fehlt ihm in der Kirche ein heiliger Antonius.
Die Kirche ist in Sichtweite. Sie steht oberhalb einer breiten Treppe und hat ein schönes Renaissance-Portal. Der Reisende will ihr seinen Besuch abstatten, so wie immer, wenn er nicht auf geschlossene Türen stößt und der Priester nicht da ist. Aber dieser hier ist Ire, man hat ihm beigebracht, dass eine Kirche offen zu stehen hat, und wenn niemand sonst sich um sie kümmern kann, muss er selbst drin sein. Das ist er auch. Er sitzt auf einer Bank, wie der Priester in Pavia. Als er die Schritte hört, erhebt er sich, grüßt mit einer feierlichen Kopfbewegung und setzt sich wieder. Der Reisende ist so eingeschüchtert, dass er kein Wort sagt. Er betrachtet die wunderbaren Säulenkapitelle im Kirchenschiff, das Basrelief in der Taufkapelle, dann geht er hinaus. Vor dem Ausgang sind auf Ständern verschiedene religiöse Prospekte ausgelegt, die Messezeiten und anderes, einige auf Portugiesisch, die meisten auf Englisch. Auf einmal weiß der Reisende nicht mehr, in welchem Land er sich befindet.
Doch kurz darauf weiß er es. Dieser Höhenzug, der sich zur Rechten erstreckt, in mehreren Falten, die nirgends sechshundert Meter Höhe erreichen, doch hier und da spitze Gipfel aufragen lassen, und wo die Flüsse mühsam ihr Wasser vorantragen, ist die Serra do Caldeirão, auch Mu genannt. Hier herrscht Wildnis und Gestrüpp. Die Straßen verlaufen weitab, nur wenige und schlechte Wege wagen sich hinein zu den Ortschaften, wo das Leben hart ist und selbst die Ortsnamen ziemlich wild klingen: Corujos, Estorninhos, Cachopo, Tareja, Feiteira. Die Reise und ihr Bericht sähen ganz anders aus, wenn der Reisende sich darauf einlassen könnte, das Innere der Serra zu erkunden.
Vermutlich ist der Reisende Castro Marim etwas schuldig geblieben. Er hat nur angehalten, um den wunderschönen Erzengel Gabriel in der Pfarrkirche anzusehen, ist, angelockt von der ungewöhnlichen roten Farbe der Steine, zur Burg hinaufgefahren, und nach einer halben Runde um das Castelo Velho, das die Mauren gebaut haben, war er schon wieder auf der Landstraße, Richtung Vila Real de Santo António. Das Meer ist bereits in Sicht, die weite Wasserfläche glitzert.
Der Verkehr in Vila Real de Santo António ist zum Verrücktwerden. Der Reisende, der sich darauf eingestellt hatte, den vom Marquês de Pombal entworfenen Straßengrundriss mit Muße zu genießen, muss sich in ein Labyrinth aus Einbahnstraßen begeben, eine Art Gesellschaftsspiel mit vielen Hindernissen und Fallen, aber wenigen Prämien. In dieser Gegend befand sich einst das Dorf Santo António de Avenilha, das dann vom Meer zerstört wurde. Der Marquês de Pombal hat hier die Baixa von Lissabon in kleinem Maßstab nachbauen lassen, Straßen und Plätze wie mit dem Lineal gezogen, und nicht er, sondern seine Baumeister haben das Wunder vollbracht, eine gutnachbarliche Atmosphäre zu bewahren. Auf dem Hauptplatz gefallen dem Reisenden besonders die Mansarden, auf den ersten Blick zu groß für die Gebäude, die sie abschließen, doch perfekt im Verhältnis zu dem gesamten Platz und der Stadtanlage,
Von dort fährt der Reisende nach Tavira, doch wird er dorthin ein andermal zurückkehren müssen, wenn er sehen will, was er
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