Die Portugiesische Reise (German Edition)
Blick auf den Platz, die Praça do Toural. Er träumt von dem Alten und dem Jungen, sieht sie auf der Straße von Pombeiro nach Telões laufen, hört die schweren Schritte ihrer steinernen Füße und steht mit ihnen vor dem Altar der Seelen, wo sie die verurteilte Schöne betrachten, deren eiskalter Körper endlich von dem kleinen Feuer erwärmt wird, das selbst der Erzengel Michael nicht löschen kann.
Als der Reisende erwacht, ist es bereits hell. Sein Traum gefällt ihm nicht, er ist schließlich kein Don Juan, dem im Traum Menschen aus Stein erscheinen, und so beschließt er, seiner Phantasie einen Riegel vorzuschieben, damit sie ihm nicht den Schlaf raubt. Er trinkt einen Kaffee, der ihm über seine düstere Stimmung hinweghilft, und geht hinaus an die frische Luft. Das Wetter ist wechselhaft, die Sonne scheint nur streckenweise, dann aber stark. Der Reisende fühlt sich nicht wohl in der Stadt. Er wird bald zurück sein, aber für den Augenblick steht ihm der Sinn nach der Weite des Horizonts. Deshalb beschließt er, nach Basto zu fahren, ein offenbar sehr beliebter Name, denn Bastos selbst gibt es allein drei, außerdem zwei Cabeceiras, und dann noch Mondim und Celorico, Canedo und Refojos, alle mit dem Zusatz de Basto geadelt. Der Reisende hat das auf der Straßenkarte '66eststellen können, es ist nicht so, dass seine Reise ihn durch all diese Orte führen würde. Aber da der Name nun mal so häufig vorkommt, wäre es unhöflich, das nicht zu erwähnen. Einige Kilometer vor Guimarães liegt Arões. Der Reisende bedauert, dass eine Reihe von Wörtern nicht gleichzeitig eine Kette von Bildern, Lichtern und Klängen ist, dass der Wind nicht zwischen ihnen hindurchweht, dass kein Regen auf sie fällt und dass man zum Beispiel unmöglich erwarten kann, eine Blume aus dem u des Wortes Blume wachsen zu sehen. Das betrifft Arões so sehr wie jeden anderen Ort auch, aber da die Landschaft hier so schön und die Pfarrkirche so romanisch ist, kommt dem Reisenden dieser Gedanke. Jetzt eben spürt er den Geruch des nassen Laubs und findet das eine Wort nicht, um diesen Geruch, das Laub und das Wasser zu beschreiben. Nur ein Wort, um all das zu sagen, wo schon viele es nicht können.
Und dieses Tal, wie soll man es erklären? Die Straße verläuft in Kurven, zwischen Bergen und Gebirgen, wie üblich ist alles wunderschön, nicht einmal der Reisende kann hier noch mehr erwarten. Dann, irgendwo zwischen Fafe und Cabeceiras de Basto, wo die Straße einen Bogen macht, muss der Reisende anhalten und eine ganz hell erleuchtete Seite in seinem Gedächtnis aufschlagen, um dort den Blick auf die große Weite festzuhalten, die vielen Ebenen, die Baumreihen, die feuchte, leuchtende Atmosphäre, den Nebel, den die Sonne vom Boden aufsteigen lässt, Berge, die abfallen und dann wieder aufsteigen, all das unter einem großen wolkenverhangenen Himmel. Der Reisende glaubt immer mehr daran, dass Glück existiert.
Diese Dinge verdienen eine Huldigung. Weiter hinten liegt noch ein Tal, ein riesiger Kreis, umringt von Gebirge, tief, weit und bebaut. Kurz darauf, dort, wo die Landschaft wieder wilder wird, wo Pinienwälder und dichter Busch stehen, erscheint am Himmel ein Regenbogen, so nah, dass der Reisende meint, danach greifen zu können. Er wächst aus dem Wipfel einer Pinie und verschwindet hinter dem Hang, und eigentlich ist es gar kein Bogen, sondern ein fast unsichtbares Segment eines von bunten Streifen überzogenen Kreises, wie ein Vorhang aus feinem Tüll vor einem Gesicht. Der Reisende ist die Vergleiche leid und stellt einen letzten, definitiven an, er führt sich alle Regenbogen vor Augen, die er in seinem Leben gesehen hat, und kommt zu dem Schluss, dass dies der vollkommenste von allen ist, er dankt dem Regen und der Sonne und seinem Glück, das ihn zu dieser besonderen Stunde an diesen Ort geführt hat, und fährt weiter. Als er unter dem Regenbogen durchfährt, sieht er, wie sich über ihm alle möglichen Farbtöpfe ergießen, aber es stört ihn nicht, und zum Glück sind es Farben, die bleiben, wie lebende Tätowierungen.
Der Reisende ist kurz vor Cabeceiras de Basto, macht aber noch einen Abstecher nach Alvite, nur um die Casa da Torre von außen zu sehen, Tür, Kapelle und Turm, erstere barock, der Turm älter, das Besondere sind die hohen Zinnen an den Ecken, das wunderbare Gleichgewicht der volumetrischen Formen, die Anmut des architektonischen Drahtseilaktes. In Cabeceiras wird der Reisende von den ersten Tropfen
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