Die Portugiesische Reise (German Edition)
Straße, die ihn nach Marco de Canaveses führt. Was für eine angenehme Strecke, entlang des Rio Tâmega, sanft und schön, wie geschaffen für eine Ekloge. Dies ist genau der richtige Ort für den arkadischen Schäfer, zumindest solange die Schafe nicht von der Räude befallen sind und der Hirtenjunge keine Frostbeulen an den Fingern hat.
Der Reisende fährt vorbei an Marco de Canaveses in Richtung Tabuado. Er macht sich auf eine längere Suche gefasst, wird aber eines Besseren belehrt. Plötzlich erscheint zu seiner Rechten, als hätte sie ihn am Ärmel gepackt, die Pfarrkirche aus dem 12. Jahrhundert, von romanischer Schlichtheit, aber sorgsam verziert mit Pflanzen- und Tiermotiven. Man könnte einen ganzen Tag damit verbringen, sich diese Kirche anzusehen, und der Reisende verspürt großen Neid gegenüber denen, die diese Zeit aufbringen konnten oder können. Die Überbleibsel der Chorfresken aus dem 15. Jahrhundert ziehen die Aufmerksamkeit des Reisenden auf sich, und er denkt an die Geschmacksverirrungen, die in der Vergangenheit die schlichte Schönheit dieser Malereien verdeckt haben müssen und diese womöglich gerade dadurch vor größerem Schaden bewahrt haben. Als der Reisende eigentlich schon gehen will, unterhält er sich noch mit einem Mann und einer Frau, die draußen stehen. Die Kirche ist für sie nur das Gebäude, das dort steht, seitdem sie denken können, aber ja, er habe recht, sie sei hübsch.
Zwischen Marco de Canaveses und Baião hat der Reisende Gelegenheit und Zeit zur Selbstkritik. Als er vom Marão sprach, hatte er behauptet, das gesamte Gebirge bestehe aus runden Bergen mit lieblichen Wäldern, ein einziger großer Garten. Er nimmt nichts von dem Gesagten zurück, denn so ist der Marão zwischen Vila Real und Amarante, aber hier sieht er vollkommen anders aus, man kann sich keine gegensätzlichere Geländeform vorstellen, schroff und rau, mit spitzen Felsen, die weiter nördlich überhaupt nicht vorkommen. Dieses Haus ist unterteilt in viele kleine, und das, durch das der Reisende jetzt kommt, ist das Haus des Windes und der Bergziegen, allerdings scheint es unbewohnt zu sein, denn heute weht kein Lüftchen, und die Ziegen sind seit Jahrhunderten ausgestorben.
Vielleicht weil die Landschaft so ist, hat der Reisende kein Bedürfnis, sich die Ortschaften anzusehen. In Baião macht er gar nicht erst halt, sondern fährt weiter nach Norden, am Rio Ovil entlang, und als er in einen Ort namens Queimada kommt, sieht er ein Schild, das auf Hünengräber hinweist. Der Reisende weiß, dass es davon genug im Land gibt und dass weder er noch die Reise darunter leiden würden, wenn er jetzt einfach weiterführe. Aber wie gesagt, er ist in einer Stimmung, in der er die Einöde bevorzugt, und der steile Weg, der sich den Berg hinaufwindet, verspricht viel Stille und Einsamkeit. Anfangs führt er durch Pinienhaine und vorbei an frischen Spuren menschlicher Tätigkeit, aber gleich dahinter beginnt die Wildnis. Der Weg ist eine kaum ausgebaute Piste in einem miserablen Zustand, mit tiefen, von Sturzbächen gegrabenen Furchen, der Reisende befürchtet einen Unfall, eine Panne. Nichtsdestotrotz fährt er weiter und wird belohnt, als der Aufstieg endet und er eine lichte Hochebene erreicht. Die Hünengräber sind nicht zu sehen. Jetzt geht es in den dichten Wald hinein, er folgt ein paar schmalen Pfaden, die gleich wieder enden, ein verwirrendes Lockmittel. Ein hinterlistiges Rätsel, zu undurchsichtigem Zweck in den verlassenen Berg gezeichnet. Der Reisende bahnt sich seinen Weg durchs Dickicht, er muss die Goldmine finden, die Wunderquelle, und als er schon Flüche und Verwünschungen ausstößt (was in dieser beunruhigenden Lage durchaus sinnvoll ist), taucht vor ihm das erste, halb vergrabene Hünengrab auf, ein runder Hut auf Stützen, von denen man nur die Spitzen sieht, wie eine verlassene Festung. Der Reisende geht ein Mal herum, da ist der Korridor, da drinnen die geräumige Kammer, viel höher, als er von außen angenommen hat, sodass er sich nicht einmal ducken muss, was gut ist, weil es auf dem Boden nichts zu sehen gibt. Die Stille ist grenzenlos. Unter diesen Steinen ist der Reisende abgeschottet von der Welt. Er reist in die Vorgeschichte, fünftausend Jahre zurück; was für Menschen waren das, die mit der Kraft ihrer Arme diese gewaltige, wie eine Kuppel geformte Felsplatte gehoben haben, worüber hat man hier gesprochen, und wer wurde hier begraben. Der Reisende setzt sich auf den
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