Die Portugiesische Reise (German Edition)
versteht, verschiedene Stile miteinander zu verbinden; es ist ein ewiger Kampf zwischen dem, was schon existiert, und dem, was daneben errichtet wird. Nach welchen Regeln man hier vorzugehen hat, ist eine schwierige Frage, und die einzige Antwort ist, dass man es in Bertiandos gewusst hat, in Anbetracht dieses Zeitsprunges von dreihundert Jahren zwischen Turm und Palast.
Der Reisende muss gestehen, dass er nicht in Ponte de Lima war. Es lag fast auf dem Weg, auf der anderen Seite des Flusses, aber von ganz weit oben rief ihn ein kleines Dorf zu sich, so inständig, dass er gehorchen musste. Immerhin hat er sich nicht auf direktem Wege dorthin begeben, sondern hat einen Schlenker über Paredes de Coura gemacht und ist erst dann nach Romarigães gefahren, welches der Name des Dorfes ist. Aber wir wollen nichts vorwegnehmen. Zuerst einmal gilt es, die wunderbare Landschaft zu beschreiben, durch die die Straße nach Paredes de Coura führt, von der Lima-Ebene bis hoch nach Labrujo und Rendufe, immer bergauf. Es ist, und das soll immer noch ein Kompliment sein, eine kleinere Version der Straße von Vila Real nach Peso da Régua. Der Reisende verspürt angesichts dieser Weite eine schon seit längerem schwelende Sehnsucht nach Bergen und Tälern. Die wird jetzt gestillt, auf den nächsten zwanzig Kilometern voller hoher Berge und wunderschöner weitläufiger, bewirtschafteter Täler. Wäre da nicht die Neugierde darauf, was die nächste Kurve an Horizonten und Abhängen bereithält, er würde ganz langsam fahren und die Steine auf dem Weg zählen.
Jetzt kommt er an die Kreuzung. Auf der einen Seite geht es nach Rubiãs es, auf der anderen nach Romarigães. Jetzt, wo das Ziel so nahe liegt, macht es ihm nichts aus, den Moment noch etwas länger hinauszuzögern. Er fährt zuerst nach Rubiães, aber vorher muss er herausfinden, woher das nicht enden wollende Rauschen kommt, das ihn seit Ponte de Lima begleitet, das Geräusch von Wasser, das die Hänge herunterfließt, durch die Straßengräben, auf der Suche nach einem Rinnsal, das es aufnimmt, einem Bach, der es bahnt, einem Fluss, der es umschließt und mit sich führt, einem Meer, das ihm Salz gibt. Der Reisende erinnert sich an die trockenen Landstriche im Süden, die, wenn es nicht regelmäßig regnet, selbst im Winter austrocknen, und er empfiehlt den Bergen und Gräsern, sich am Wasser zu erfreuen, solange es da ist, es nicht umkommen zu lassen oder allzu verschwenderisch damit umzugehen, denn es ist ihr Blut und ihr Leben.
Rubiães ist eine romanische Kirche, und sie ist geschlossen. Der Kirchhof ist praktisch vollständig mit Grabsteinen bedeckt, von ganz alten bis fast modernen. Der Reisende wechselt noch ein paar Worte mit zwei Männern, die sich auf den Stufen von ihrer Arbeit ausruhen, und fährt dann dorthin, wohin ihn das Herz ruft.
Die ersten drei Kilometer führen über eine Asphaltstraße, die unter dem letzten Regen gelitten hat, dann kommt eine Kurve, und dahinter wird der Weg schmaler, der Reisende beschließt, zu Fuß weiterzugehen. Eine gute Entscheidung. Das Wasser ist klar und frisch, und die Sonne, die man im Gesicht kaum spürt, umschmeichelt die Hände, der Reisende läuft los und sieht, dass es noch weit ist bis zum Ort, er zögert, als er zwei Jugendliche sieht, einen Jungen und ein Mädchen, bestimmt sind sie ein Liebespaar. Sie sitzen auf einer zerfallenen Mauer und haben aufgehört zu reden. Der Reisende geht auf sie zu und fragt: »Könnt ihr mir sagen, wo hier die Capela da Nossa Senhora do Amparo ist?« Die beiden sehen einander an, und der Junge antwortet: »Ich kenne keine Capela da Senhora do Amparo. Wenn Sie die Kirche suchen, die ist da unten im Dorf.« Der Reisende weiß genau, was er sucht, und ist etwas irritiert über die Antwort. »Die meine ich nicht. Ich meine die Capela da Senhora do Amparo, die Aquilino Ribeiro in seinem Buch erwähnt«, sagt er und erwartet ein Lächeln auf den Gesichtern des Paares. Vergebens. Es antwortet das Mädchen, anscheinend verärgert darüber, beim Liebesgeplänkel gestört worden zu sein: »Kennen wir nicht.«
Der Reisende ist verlegen und beschließt, ins Dorf hinunterzugehen, vielleicht hat er dort mehr Glück. Als er aber ein Stück an einer Mauer entlanggelaufen ist, spürt er plötzlich einen Stich im Herzen. Er blickt nach oben und sieht ein Fenster, darüber eine Art Sims, auf dem ein Kreuz steht und links und rechts daneben zwei Vasen mit Bärenklau, so sieht es jedenfalls von unten
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