Die Portugiesische Reise (German Edition)
Teil, es wäre der schönste urbane Raum in ganz Portugal.
Die Pfarrkirche aus dem 15. Jahrhundert, deren Wurzeln im Gotischen liegen, trägt Reminiszenzen an das Romanische in sich. Im hübschen Portikus fungieren Apostelfiguren als Stützsäulen, darüber prangt eine riesige Rosette. Drinnen spürt man, dass hier keine große Mühe darauf verwendet wurde, die verschiedenen, im Laufe der Jahrhunderte eingeführten Architekturund Dekorationsstile miteinander verschmelzen zu lassen. Der Brand von 1806 wird großen Einfluss auf den kompositorischen Charakter des Bauwerks gehabt haben. Es gibt allerdings schöne Statuen und Gemälde zu besehen, außerdem phantastische Azulejos. Das Beste an der Kirche aber ist vielleicht ihr Standort zwischen den sie umgebenden Bauwerken: Es wurde ein Ambiente, eine Atmosphäre erhalten, wie es die Regel sein sollte, inzwischen aber Ausnahme ist.
Der Reisende entscheidet sich für eine Straße, die parallel zur Hauptachse des Platzes verläuft, und findet ein wunderschönes Renaissance-Fenster, das, mehr denn jedes andere Kunstwerk, Symbol dieser Stadt sein sollte. So bearbeiteter Stein ist sein Gewicht in Gold wert, und selbst dann noch wäre man dem Künstler einiges schuldig. Viana do Castelo ist im Übrigen voller manuelinischer Türen und Fenster, einige schlichte, andere von vollkommener Handarbeit, sodass sich mit Recht sagen lässt, dass Viana dem Reisenden das Schönste, was es zu bieten hat, direkt vor Augen führt. Eine Ausnahme bildet das Museum mit seinen zwei Türen, eine zum Hinein- und eine zum Hinausgehen, das, obwohl es eher klein ist, abgesehen von anderen Vorzügen, die vollständigste und reichhaltigste Sammlung portugiesischer Keramik beherbergt, circa eintausendsechshundert Exponate, die der Reisende nicht im Einzelnen begutachten kann, sonst müsste er seine Reise hier abbrechen. Und noch mehr: Die vielen hier aufbewahrten kostbaren Möbel befinden sich, wohl dank der Mühe, Liebe und Kunstfertigkeit des Museumswärters, der von Beruf Holzschnitzer ist, in einem bemerkenswerten Zustand. Und da der Reisende nicht alles aufzählen kann, bleibt nur die winzige Skulptur der Kreuzabnahme zu erwähnen, ein Wunder an Perfektion und Genauigkeit, die man Machado de Castro zuschreibt und die mehr wert ist als alle Krippen und anderen Arbeiten dieses Meisters seines Fachs. Beachtlich auch die riesige Figur eines Bärtigen im Kirchhof, sehr viel authentischer als der andere aus der Zeit der Kelten, als Galicien und Minho noch eins waren.
Der Reisende geht hinunter zu den Werften, wo man ihn nicht hineinlässt, und wirft auf dem Rückweg einen Blick auf die Kirche São Domingos, wo Bruder Bartolomeu dos Mártires aufgebahrt ist, dessen Biographie Bruder Luís de Sousa schrieb. So sind die Leben miteinander verbunden, einschließlich dessen von Almeida Garrett, der, basierend auf den Aufzeichnungen des Biographen, das beste Theaterstück schrieb, das je in Portugal geschrieben wurde. Vertieft in derlei Selbstgespräche geht der Reisende ein Stück weiter, um sich den Palast des Visconte von Carreira anzusehen, der sich durch seine Opulenz und manuelinischen Verzierungen auszeichnet und heute noch unter diesem Namen bekannt ist. Bevor er sich verabschiedet, stattet er dem Haus von João Velho und dem kleinen barocken Meisterwerk der Capela das Malheiras einen Besuch ab.
Im Rio Lima sahen die Römer den mythologischen Fluss Lethe, der die Erinnerung auslöscht, und wollten ihn nicht überqueren, aus Angst, er könnte ihnen die geliebte Heimat aus der Erinnerung und aus den Herzen waschen. Die Straße, auf der der Reisende das nördliche Ufer entlangfährt, verbirgt ihre schönen Ecken, für die die Gegend bekannt ist, aber als erfahrener Reisender weiß er sich zu helfen. Er nimmt die kleineren Straßen, die jeweils hinunter zum Fluss führen und dann nicht weiter, und jetzt ergeht es uns wie den Römern, man kommt sich vor wie ein Magistrat oder Zenturio, als käme man gerade aus Bracara Augusta in zivilem oder militärischem Auftrag und verspürte plötzlich das Bedürfnis, die Lanze niederzulegen, die Rolle mit den Gesetzen auszurollen und den Frieden auszurufen.
In Bertiandos macht der Reisende halt, späht durch die Stäbe eines Gittertors hindurch wie ein Bettler, erfreut sich an der gelungenen Architektur des barocken Bauwerks mit dem Turm aus dem 16. Jahrhundert und fragt sich, welch Unheil über die heutige Architektur gekommen ist, die sich so gar nicht darauf
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