Die Portugiesische Reise (German Edition)
Senhor do Bom Sucesso unter einer Apotheose von Lichtern, Dutzende von Kerzen, starke Scheinwerfer, unzählige Bilder von Wohltätigkeitsempfängern, alle Formen von Altarkerzen, Köpfe, Hände, Füße, ein einziges gewaltiges Feuer aus weißem, glühendem Licht. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder man fällt vor Ehrfurcht auf die Knie, oder man geht woandershin. Der Reisende spürt, dass das hier nicht sein Fall ist, und geht. Auf den Kirchenbänken sitzen sehr, sehr alte Menschen und husten abwechselnd verzweifelt, das feuchte Wetter ist der ideale Nährboden für Katarrhe und Erkältungen, und im Chor kniet auf einer Stufe der Pater und hält den Kopf in dramatischer Haltung gegen eine Ecke des Altars gestützt. So etwas hat der Reisende noch nicht gesehen, Kirchen hat er wahrhaft genug besichtigt, und immer mit dem gebührenden Respekt.
Es ist Mittagszeit, aber der Appetit ist ihm plötzlich vergangen. Der Reisende stochert in einem Stück Stockfisch herum, schlürft einen jungen Rotwein, der zu herb ist, und läuft nach dem Essen die Rua da Cedofeita hinunter bis zur gleichnamigen Kirche. Er geht eigentlich nur aus Pflichtgefühl dorthin. Hier handelt es sich um Ersatzromanik, womit der Reisende sagen will, dass die Restaurationsarbeiten sehr gut gelungen sind. Wie die Kirche von innen aussieht, kann er nicht sagen, da ein hilfsbereiter Nachbar so freundlich war, ihn darüber zu informieren, dass sie nur sonnabends für Hochzeiten geöffnet und an allen anderen Tagen geschlossen ist. Also geht er, aus einem plötzlichen Bedürfnis nach Stille und Schutz, weiter zum Museu Soares dos Reis. Er entflieht der Welt, um sie in ihren besonderen Formen wiederzufinden: der Kunst, der Harmonie und Proportion, des von Generation zu Generation weitergegebenen Erbes.
Der Saal mit der religiösen Kunst im Museu Soares dos Reis ist nicht besonders reichhaltig ausgestattet, aber er bringt den Reisenden auf den Gedanken, ob es vielleicht fortgeschrittene Studien über die Vorstellungswelt volkstümlicher Heiligenbilder gibt. Vielleicht stieße man dabei auf Spuren besonderer Originalität, die der allgemein verkümmerten portugiesischen Bildhauerei neues Leben einhauchen könnten, ohne dass sie in mittelalterlichen oder barocken Historizismus verfiele. Genau diesen Eindruck hat der Reisende, und, der große Bildhauer, der Soares dos Reis war, möge es ihm verzeihen, er überkommt ihn auch jetzt angesichts des Desterrado , dieser hellenistischen Marmorfigur, die zweifelsohne sehr schön ist, aber nicht zu vergleichen mit der expressiven Kraft der Steine aus Ança, zu denen es den Reisenden immer wieder hinzieht. Mit Gemälden ist das Museum reich bestückt: Als das vielleicht wichtigste Werk hier würde der Reisende die Virgem do Leite von Frei Carlos bezeichnen. Aber einen besonderen Platz in seinem Herzen nehmen die Bilder von Henrique Pousão und Marques de Oliveira ein, ohne mit dieser Neigung die ausgezeichneten Werke von Dórdio Gomes, Eduardo Viana und Resende herabsetzen zu wollen. Die Keramikensammlung verdient eine sehr gute Benotung, aber der Reisende erinnert sich noch allzu gut an Viana do Castelo, und deswegen will er hier weder Vergleiche anstellen, noch dem hier Gesehenen Vorrang einräumen. Er beugt sich über die Emailstücke aus Limoges und erkennt sofort, dass es sich dabei um Arbeiten von höchster Qualität handelt, aber mehr auch nicht. Email ist nichts, was den Reisenden umwerfen könnte.
Jetzt macht er sich auf den Weg zur Kathedrale. Unterwegs hält er bei São Pedro dos Clérigos, sieht sich die Kirche von außen an, denkt, wie viel Porto und der Norden doch Nicolò Nasoni verdanken, und findet es ziemlich kleinlich, eine Straße nach ihm zu benennen, die kaum, dass sie anfängt, auch schon wieder endet. Der Reisende weiß, dass Würdigungen dieser Art meist in keinem Verhältnis zum eigentlichen Verdienst stehen, aber Porto ständen sicherlich andere Mittel zu Gesicht, den kapitalen Einfluss hervorzuheben, den der italienische Architekt auf das Erscheinungsbild der Stadt hatte. Es ist nur gerecht, dass Fernão de Magalhães seine Avenida hat. Wer einmal um die Welt gesegelt ist, hat nichts anderes verdient. Aber Nicolò Nasoni entwarf auf dem Papier nicht weniger abenteuerliche Reisen: das Gesicht, in dem eine Stadt sich selbst erkennt.
Wie sah wohl die Kathedrale von Porto in ihrer Anfangszeit aus? Wie eine Burg, geprägt durch Robustheit und militärischen Stolz. Davon künden die riesigen
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