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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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die Piccoloflöte, das Horn etc. Die Orgel ist stumm, aber der Fremdenführer ist inzwischen schon bei dem Sarkophag aus Ebenholz, Silber und Bronze, in dem der mumifizierte, d. h. unversehrte Körper der Beata Mafalda liegt, die hier auch die heilige Königin Mafalda genannt wird. Der Körper ist winzig wie der eines Kindes, und das Wachs auf dem Gesicht und den Händen verbirgt die Wahrheit des Todes. Von dieser heiligen Mafalda lässt sich behaupten, dass sie jetzt, mit ihrem hübschen Gesichtchen, mit Sicherheit schöner ist als zu Lebzeiten, damals in dem barbarischen 13. Jahrhundert. Überhaupt nicht um Ähnlichkeit geschert hat sich jener glückliche Totospieler, der, nachdem ihm der Hauptgewinn zugefallen war, eine überlebensgroße Statue der Heiligen in Auftrag gab, die nun im Kreuzgang steht, abseits der Kunstwerke, die diesen Namen zu Recht tragen, und ein besseres Schicksal hat sie auch nicht verdient.
    Das Museum befindet sich im ersten Stock und darf eine wundervolle Sammlung von Skulpturen und Gemälden sein Eigen nennen. Hier steht der berühmte heilige Petrus aus dem 15. Jahrhundert, der sogar schon im Ausland war, so wertvoll ist er, alle Welt kennt ihn von Fotografien her. Aber man muss ihn von nahem sehen, dieses Gesicht eines kräftigen Mannes, den Mund mit seiner offen zur Schau getragenen Sinnlichkeit, in der einen Hand das Buch, in der anderen den Schlüssel, die Art, wie ihn der Umhang umhüllt und die Tunika ihre Falten um das leicht gebeugte Bein wirft, sowie der scheinbar blühende Bart, der sich um den Kopf windet, und die Locken des Haupthaars. Eine andere wunderschöne Skulptur ist die der Mariä Verkündigung, die die Hände vor der Brust verschränkt und ergeben niederkniet. Außerdem einige großartige gotische Heiligenskulpturen aus Holz.
    Vortrefflich ist auch die Gemäldesammlung, und obwohl der Reisende ein Gegner der Konventionalität des 18. Jahrhunderts ist, empfindet er die figurativen Ausschmückungen sowie den rhetorischen Gestus dieser anonymen Bilder als kurios, die Art, wie sie ein von der frommen Mafalda vollbrachtes Wunder darstellen, die durch direktes, übernatürliches und bezeugtes Eingreifen ein Feuer löschte, das in ihrem Kloster ausgebrochen war. Ein wirklicher Blickfang aber sind die acht Tafelbilder aus dem 15. Jahrhundert, die Szenen aus der Passionsgeschichte darstellen. Angeblich handelt es sich hier um Volkskunst, aber der Reisende glaubt eher, dass sie aus dem Ausland stammen, z. B. aus dem spanischen Valencia und nicht aus hiesigen Gefilden. Er will es nicht beschwören und hat auch keine Beweise, es handelt sich lediglich um eine Vermutung.
    All das ist sehr schön und künstlerisch wertvoll: die Teppiche, der manieristische heilige Thomas von Diogo Teixeira, die volkstümlichen Exvotos, die die Ehrenhaftigkeit des Reisenden immer wieder auf die Probe stellen, die kolorierten Pergamentbände, das Silber; und wenn all diese Dinge hier nur so zufällig aufgeführt werden, ohne jede Rangfolge oder Beurteilung, dann, weil der Reisende sich dessen bewusst ist, dass man sie eigentlich in natura sehen muss, auch wenn er weiß, dass selbst das Sehen gelernt sein will. Genau das übrigens versucht der Reisende die ganze Zeit: sehen, hören und beschreiben zu lernen.
    Der Besuch ist zu Ende. Wenn möglich, wird der Reisende eines Tages wiederkommen. Er ist bereits auf der Straße, hinter seinem Rücken schließen sich die Türen, und der Fremdenführer geht zu Mittag essen. Der Reisende tut dasselbe, und als er dann die Landkarte auf dem Tisch ausbreitet, stellt er fest, dass er sich in der Nähe des Gebirges befindet. Er trinkt seinen Kaffee aus, bezahlt die Rechnung und schultert seine Tasche. Auf ins Leben.

Sanfte, steinige Beira, Geduld
     



Der Mann, der nicht vergaß
    Wäre dies eine Prüfung, dann wäre der Reisende durchgefallen. Bei einer Prüfung für Reisende, versteht sich, bei einer anderen vielleicht nicht, vielleicht aber auch. In Guarda nach ein Uhr nachts anzukommen, an einem Samstag, und das im März, einer Jahreszeit, in der gewöhnlich Schnee im Gebirge liegt, und darauf zu vertrauen, dass der Schutzheilige der Reisenden ihm ein freies Zimmer bereithält, ist schiere Unfähigkeit. Einmal wird er abgewiesen, ein andermal macht niemand auf, dann wieder lohnt es gar nicht erst zu klingeln. Er fährt zurück zum ersten Hotel, wie war das möglich, so ein großes Haus und kein einziges freies Zimmer. Es gab keines. Er ist völlig

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