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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Neffe, deren Skulpturen dort stehen. Hier befindet sich das Reich der Pflanzen. Das Wasser ist Diener, so wie die Tiere, die sich im Dickicht verstecken oder dort umherstreifen. Der Reisende hat sich dieser Umgebung bedingungslos ergeben, und jetzt ist er nur noch zu stummem Staunen fähig angesichts dieser Üppigkeit von Bäumen, verschiedensten Blattsorten, Stängeln und schwammigem Moos, das sich an die Steine heftet oder die Bäume hinaufwandert, und wenn er ihm mit dem Blick folgt, stößt er auf das verworrene Astwerk, so dicht, dass man kaum erkennt, wo ein Baum anfängt und der andere aufhört. Der Wald von Buçaco erfordert das gesamte Vokabular, und ist alles ausgesprochen, merkt man, dass doch nichts gesagt ist. Der Wald von Buçaco ist unbeschreiblich. Das Beste ist immer noch, sich gehenzulassen, so wie es der Reisende jetzt tut, bei diesem unvergleichlichen Januarwetter, wenn Erde und Luft vor Feuchtigkeit schimmern und das einzige Geräusch das der Schritte im Laub ist. Diese Zeder hier ist uralt, sie wurde 1644 gepflanzt, eine Greisin, die ohne die Hilfe von Stahlseilen einsam und verlassen den Abhang hinabstürzen würde. In einem Akt der Reue ruft der Reisende aus: »Ach, wäre ich ein Baum, auch mich würde niemand von hier fortbewegen.« Aber der Reisende ist ein Mensch, er hat Füße zum Laufen und noch einen langen Weg vor sich. Betrübt zieht er weiter. Er behält den Wald in Erinnerung, aber anfassen können wird er ihn nicht, wenn er irgendwo in der Ferne weilt, und mit den Augen lässt sich längst nicht alles erfassen, hier sind alle Sinne erforderlich, und vielleicht reichen selbst sie nicht aus. Der Reisende gelobt, erst dort wieder zu halten, wo er auch übernachten wird. Nach Buçaco die Sintflut. Zurück auf die Straße, durch Anadia und weiter nach Boialvo, auf einer Nebenstraße, durch Águeda hindurch, wäre es nicht so spät, bräche er vielleicht sein Wort und stattete Trofa einen Besuch ab, und als er nach Oliveira de Azemeis kommt, ist es dunkel. Es geht ein Sturm, so stark, dass er die Erde aus ihrer Umlaufbahn werfen könnte. Der Reisende geht erschöpft hoch ins Hotel. Am Eingang versuchen die bösen Kräfte noch einmal, ihm den Todesstoß zu versetzen: Im fünften Stock bietet eine Friseuse ihre Dienste als houte-caiffeur an. Was wäre der Reisende ohne den Buçaco.

Vor den Toren der Berge
    Als der Reisende am nächsten Tag erwacht, glaubt er den Tag verloren. Wenn es in Coimbra geregnet hat, dann gießt es in Oliveira de Azeméis wie aus Kübeln. Bis nach Vale de Cambra kann der Reisende höchstens zwanzig Meter von der Straße vor sich sehen. Dann klart es auf, rechtzeitig, um zu erkennen, was er verpasst hat, eine bergige Landschaft mit weiten, offenen Tälern, an allen Hängen sind saftig grüne Terrassen, gestützt von Schiefermauern. Die Straßen schmal und ordentlich wie auf einem Landgut. Zu beiden Seiten große Nutzholzwälder, fast ausschließlich Eukalyptus, dem der Regen und die Luftfeuchtigkeit glücklicherweise die Leichenblässe nehmen, die diese Bäume bei Trockenheit haben. Als er nach Arouca kommt, ist der Himmel wolkenlos. Vielleicht ein Zufall, vielleicht auch ein hier übliches Wunder, jedenfalls gehen drei wunderschöne Mädchen vorbei, groß und schlank, selbstsicher, sie scheinen aus einer anderen Zeit zu stammen. Der Reisende sieht ihnen nach, beneidet Arouca um sein meteorologisches Glück und macht sich auf den Weg zum Kloster.
    Hier ist jede Eile fehl am Platz. Zuerst einmal ist da die Kirche. Sie ist unter architektonischem Aspekt nicht weiter erwähnenswert, aber doch interessanter als die in Lorvão, mit der sie eine gewisse Ähnlichkeit hat. Phantastisch ist das Gestühl, und das gilt sowohl für das Material als auch für die Verarbeitung. Die Holzschnitzer aus dem 18. Jahrhundert, die sie angefertigt haben, demonstrieren hier, welche Präzision Handarbeit und welches Niveau der Sinn für harmonische Gestaltung erreichen kann. Darüber hängen in prunkvollen Barockrahmen Gemälde mit religiösen Motiven, die, obwohl konventionell, Aufmerksamkeit verdienen.
    Außerdem steht hier eine Orgel aus dem 18. Jahrhundert, von der man wissen sollte, dass sie über 24 Register und 1352 Stimmen verfügt, darunter, für alle, die es interessiert, das Schlachthorn, die königliche Trompete, Bässe, die das Brausen und Donnern tosender See imitieren, ein Register für die Basstrommel, für Kanarienvogelstimmen, für Echostimmen, die Flöte, die Klarinette,

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