Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
Vom Netzwerk:
durchgefroren. Der Reisende hätte um einen Platz auf dem Sofa in der Lobby betteln und auf ein am nächsten Tag freiwerdendes Bett hoffen können, aber da er seinen Stolz hat, befindet er, dass diese schwerwiegende Leichtsinnigkeit bestraft werden muss, und schläft im Wagen. Das heißt, er übernachtet im Wagen, denn schlafen kann er nicht. Eingewickelt in alles, was ihn auch nur ein bisschen vor der Kälte schützen könnte, und Kekse knabbernd, um den nächtlichen Hunger zu verjagen und wenigstens die Zähne zu wärmen, kommt er sich während dieser langen Stunden seines persönlichen Polarwinters vor wie das elendeste Wesen der Welt. Ganz allmählich wird es hell und die Kälte immer unerträglicher, und jetzt befindet er sich in einem furchtbaren Dilemma: Entweder erniedrigt er sich und bittet doch noch um Unterschlupf in der wärmenden Hotellobby, oder er setzt sich den Blicken der Frühaufsteher aus, die durch die Fenster spähen, um zu sehen, ob das dort ein Mensch oder ein Eiszapfen ist. Er entscheidet sich für die angenehmere Variante, man kann es ihm nicht verübeln. Als endlich, nachdem ein paar lärmende Spanier das Hotel in aller Frühe verlassen haben, ein Zimmer frei wird, springt der Reisende in das heißeste Badewasser der Welt und danach unter die Bettdecke. Nach drei Stunden tiefem Schlaf isst er zu Mittag und sieht sich die Stadt an.
    Dieser Tag lässt sich zu Recht als glorreich bezeichnen. Keine Wolke ist am Himmel zu sehen, die Sonne scheint, und die Kälte wirkt belebend. Die Nacht sah einen unglücklichen Reisenden, der Tag einen zufriedenen. Die Skeptiker werden sagen, das kommt, weil er geschlafen und gegessen hat, aber Skeptiker sind dazu da, einem die einfachen Freuden des Lebens zu verderben, so wie die, über den Platz zu laufen, die Zeitung von gestern zu kaufen und festzustellen, dass die Mädchen in Guarda hübsch sind und gut gebaut und einem in die Augen sehen. Der Reisende legt sie in seiner Erinnerung neben denen von Arouca ab und geht seinen Weg weiter, bis er das Museum erreicht.
    Es gibt bestimmt einige Museen, die reicher und besser organisiert sind und den Grundregeln der Museumskunde entsprechen. Da aber nun mal nicht mehr Platz vorhanden ist und die Sammlungen doch sehr unterschiedlich sind, muss man sich mit der Qualität der Exponate begnügen, und die lässt nichts zu wünschen übrig. Man betrachte nur die romanische Senhora da Consolação aus dem 12. Jahrhundert, aus demselben Stein gefertigt wie die Mauernische, in der sie steht (an dieser Stelle erinnert sich der Reisende an den São Nicolau in Braga), den barocken Salvador do Mundo , rubinrot und robust, die hohe Stirn ungekrönt, lediglich mit einem Stück Stoff um die Hüften und einem kurzen roten Umhang bekleidet, die Spendenkästen für die verlorenen Seelen, die kleine, massive gekrönte Jungfrau mit einem Jesuskind, dessen Gesicht dem ihren nachempfunden ist, das Triptychon aus dem 17. Jahrhundert mit dem heiligen Anton, dem heiligen Antonius und einem Bischof, das Gemälde von Frei Carlos, die Anbetung , auf dem Bezug zu Açores genommen wird, einem Ort, den der Reisende auf jeden Fall aufsuchen will. Man betrachte außerdem die großartige Waffensammlung, die romanischen und lusitanischen Artefakte, Gewichte und Maße, Schnitzereien sowie einige sehenswerte Gemälde aus dem ausgehenden 19. und dem unsrigen Jahrhundert. Interessant sind auch die Exponate zum Gedenken an den Dichter Augusto Gil, der in Guarda seine Kindheit verbrachte. Kurzum, das Museum von Guarda ist einen Besuch wirklich wert. Die Atmosphäre ist fast familiär, der Ort hat Herz.
    Bevor er sich auf den Weg zur Kathedrale macht, beschließt der Reisende, die Igreja da Misericórdia zu besichtigen, aber dort findet ein Gottesdienst statt, und in solchen Fällen verhält er sich lieber diskret. Er geht wieder hinaus und zur Kirche São Vicente, wo er sich ausgiebig den Azulejo-Gemälden aus dem 18. Jahrhundert widmet, mit denen das Kirchenschiff ausgekleidet ist. Ihre Gestaltung ist nicht gerade außergewöhnlich, eher konventionell, aber die Einrahmungen zeugen von Originalität, die Verzierungen sind großartig und sehr einfühlsam im Umgang mit der Farbe. Die Muße, mit der er sie betrachtet, muss das Misstrauen zweier älterer, vornehm wirkender Damen erweckt haben, die ihn alles andere als verständnisvoll ansehen, was wiederum dem heiligen Vinzenz missfallen hätte, dem sogar einmal ein Rabe ein Stück Brot brachte, als er Hunger

Weitere Kostenlose Bücher