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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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beunruhigend. Die Bäume sind schwarz, die Hänge fallen fast senkrecht ab, die Straße ist mit Vorsicht zu genießen. Der Reisende beschließt, anzuhalten und zu sehen, wie sich diese Stille anfühlt, und eigentlich weiß er es schon. Aber er kann es besser fühlen, wenn er das unbestimmte Rauschen des Regens hört, der auf die Bäume fällt, und über den Tälern einen fast durchsichtigen Nebel schweben sieht. Der Reisende empfindet Frieden.
    Von Lorvão bekommt er nicht viel zu sehen. Er hatte den Kopf voller fertiger Bilder, und so ist es einzig und allein seine Schuld. Von den ursprünglichen Bauten aus dem 9. Jahrhundert ist nichts übrig. Von denen aus dem 12. ein paar Kapitelle. Die Bauwerke aus dem 16. und 17. Jahrhundert sind wenig beeindruckend. Und so sticht die Kirche aus dem 18. Jahrhundert am ehesten hervor, und dieses Jahrhundert gehört nicht zu denen, die der Reisende besonders schätzt, in einigen Fällen verachtet er es sogar. Wenn man nach Lorvão kommt und ein Kloster erwartet, das romantischen Träumen und der umliegenden Landschaft entspricht, so wird man enttäuscht. Die Kirche ist groß, hoch und imposant, aber die Architektur kalt, am Reißbrett entworfen. Und die drei riesigen Engelsköpfe, die den Giebel über dem Hauptschiff ausfüllen, sind dem Verständnis des Reisenden nach von unglaublicher Geschmacklosigkeit. Schön allerdings sind der Chor mit seinem Gitter aus Eisen und Bronze sowie die Kirchenbänke aus dem 18. Jahrhundert. Und an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass das 18. Jahrhundert, das so gar nicht mit Stein umzugehen wusste, sich auf die Verarbeitung von Holz verstand wie sonst kaum eines vor oder nach ihm. Auch beeindruckend ist der Kreuzgang im Stil der Coimbra-Renaissance des 17. Jahrhunderts. Und wenn der Reisende sich an noch etwas erinnert, dann sind es die Malereien in der Kirche.
    Die Serra do Buçaco fällt, von der Straße aus gesehen, auf der der Reisende sich befindet, nicht gerade ins Auge. Da die Straße sich praktisch am Rande der gesamten Südwestkette entlangschlängelt, sind sowohl Kurven als auch Steigungen erträglich. Wenn hier vom Buçaco die Rede ist, dann ist nicht das Gebirge gemeint, das so vielen anderen ähnelt, sondern der eine besondere Teil, dieser phantastische Wald, in den der Reisende jetzt kommt. Und hier ist es das Palace Hotel, das zunächst die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Wir werfen einen Blick darauf, um uns danach den ernsthaften Dingen widmen zu können. Denn ernst nehmen kann man diesen Neomanuelismus, diese Neorenaissance nicht, die ein italienischer Architekt und Bühnenbildner in den Wirren des 19. Jahrhunderts entworfen hat, als in Portugal das imperialistische Bewusstsein aufflammte und man ihm einen mehr oder weniger gelungenen Rahmen geben wollte. Und weil das Palace eben ein Palace ist und damit nur für wenige bestimmt und der Buçaco weit weg und damit außer Reichweite, hat man in Lissabon den Bahnhof am Rossio errichtet und seiner gleichfalls manuelinischen Fassade, um die Illusion zu vervollkommnen, das Bildnis von Dom Sebastião beigefügt, der zwar in Alcácer Quibir geschlagen wurde, aber noch immer nicht wenige Phantasien beherrscht. Der Reisende ist weder böse noch schlecht gelaunt, und diese Worte sind weder das Produkt einer schlechten Verdauung noch intellektueller Vergrämtheit. Er hat lediglich das Recht, das Palace Hotel nicht zu mögen, auch wenn er zugeben muss, dass der Stein sehr gut gearbeitet ist, die Räume bestens angeordnet und die Stühle bequem sind, alles eben äußerst komfortabel ist. Das Palace Hotel ist wahrscheinlich, so denkt der Reisende, der verwirklichte Traum eines amerikanischen Millionärs, der das Haus nicht Stein für Stein abtragen und nach Boston transportieren konnte und nun hier seiner Begierde freien Lauf gelassen hat. Aber offenbar irrt der Reisende auch hier: Viele der Ausländer, die in diesen manuelinischen Mauern logieren, brechen morgens in der Frühe in den Wald auf und sind nicht vor dem Essen zurück. Der Reisende beginnt zu glauben, dass der gute Geschmack noch nicht ganz verloren ist und er daher nichts anderes tun muss, als dem Vorbild der höherentwickelten Nationen zu folgen und sich selbst in den Wald zu schlagen.
    Der Buçacopark spricht Manini und den Reisenden von ihren gemeinsamen Sünden frei, und wenn es denn möglich ist, jeden Menschen von seinen Sünden loszusprechen, auch Jorge Colaço, der die Azulejos schuf, und die Costa-Motas, Onkel und

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