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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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erkennen.
    »Nördlich von Kassel?«, fragte er verwirrt.
    »Ja - natürlich nur, falls Sie überhaupt vorhaben, so weit nach Norden vorzudringen. Es müsste nördlich von Kassel sein. Besser noch wäre Braunschweig, Hannover, Magdeburg, Hamburg oder Berlin - wohin immer Sie unterwegs sind.«
    »Kein Problem, geben Sie mir den Brief«, erwiderte er, ohne weitere Fragen zu stellen.
    »Ich muss ihn allerdings erst noch schreiben …«
    Ihre Stimme hatte kleinlauter geklungen als beabsichtigt. Sie konnte sich vorstellen, dass Richard Hollweg nach der durch sie verursachten Verzögerung seine Reise am nächsten Morgen so schnell wie möglich fortsetzen wollte. Was sie vorhatte, war, endlich ihren Eltern zu schreiben, damit sie sich keine unnötigen Sorgen mehr um sie machten. Aber um zu vermeiden, dass sie Rückschlüsse auf ihren Aufenthaltsort hätten ziehen können, brauchte sie unbedingt einen Boten, der den Brief
irgendwo anders aufgab - idealerweise einen, der so verschwiegen war wie Hollweg. Schon seit Beginn ihrer Flucht plagte sie sich mit einem schlechten Gewissen gegenüber ihren Eltern herum. Trotz allem, was vorgefallen war: Sie hatten es nicht verdient, sich ihretwegen weiter grämen zu müssen, abgesehen davon, dass ihre Sehnsucht nach ihnen schon längst der Verärgerung über die Heiratspläne Platz gemacht hatte.
    »Sie können sich denken, dass ich es ziemlich eilig habe, um die heute verlorene Zeit aufzuholen«, hörte sie es prompt neben sich aus der Dunkelheit tönen. »Schreiben Sie ihn gleich morgen früh. Während ich mein Pferd sattle.«
    Der Gedanke, dass sich Hollwegs und ihre Wege so bald schon wieder trennen würden und sie nicht einmal seinen richtigen Namen kannte, betrübte sie ein wenig. Doch ihr Stolz erlaubte es nicht, ihrer Neugier freien Lauf zu lassen. Wenn er ihr seine wahre Identität hätte enthüllen wollen, dann hätte er es getan.
     
    » K ikeriki!«, drang es durch das offene Fenster. Kurz darauf war Hufgetrappel zu vernehmen, als ritte jemand in höchster Eile vom Hof.
    Friederike fuhr hoch: War das etwa Richard Hollweg, hatte er nicht auf sie gewartet? Noch immer war es stockdunkel, man konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Erschöpft ließ sie sich zurück aufs Kissen fallen. Sie hatte die ganze Nacht kaum geschlafen. Immer wieder war sie schweißgebadet aufgewacht - die Erlebnisse der letzten 48 Stunden waren einfach zu überwältigend gewesen, im guten wie im schlechten Sinne, um sie eine geruhsame Nacht verbringen zu lassen.
    Das gleichmäßige Atmen dicht neben ihrem Kopf beruhigte sie: Hollweg schlief noch, tief und fest. Sie zog die Decke über ihre Schultern. Es war kalt, der eisige Wind pfiff durch das Fenster. Etwas Haariges streifte ihr Gesicht. Sie schreckte zurück. Doch dann hätte sie beinah laut aufgelacht: Über der Decke lag
Richard Hollwegs warmer Mantel mit dem breiten Pelzkragen, den er, während sie schon schlief, über ihr ausgebreitet haben musste. Begleitet von dem Gefühl, dass gut für sie gesorgt wurde, versank sie endlich in einen traumlosen Schlaf.
    Als wieder ein Hahn krähte und aus der Ferne das Läuten der Kirchenglocken erklang, konnte sie spüren, wie Richard Hollweg vorsichtig über ihren ausgestreckten Körper kletterte, um aus dem Bett zu gelangen. Sie fühlte sie sein Gewicht auf sich lasten, als er für einen Moment die Balance verlor, stellte sich aber schlafend, während sie lauschte, wie er seine Kleidungsstücke zusammensuchte und leise den Raum verließ.
    Es war schon hell, als die Zimmertür sich öffnete.
    »Rütgers, sind Sie wach? Wenn Sie wollen, dass ich Ihren Brief mitnehme, müssen Sie ihn jetzt sofort schreiben. Ich breche in spätestens einer halben Stunde auf. Gefrühstückt habe ich schon.«
    Ohne sie eines Blickes zu würdigen, trat er zu dem Tischchen, auf dem seine Waffen lagen.
    Friederike richtete sich auf. An der Tür stand die alte Zimmerwirtin. Um ihren Hals war ein dicker Wollschal geschlungen, im Mundwinkel hatte sie eine qualmende Pfeife hängen. Wortlos reichte sie ihr ein Tablett mit Papier, Tinte und Feder.
    »Soll ich Ihnen das Frühstück vorbereiten, Monsieur?«, krächzte sie, als sie den Raum schon fast wieder verlassen hatte. »Fühlen Sie sich besser? Dann können Sie ja auch nach unten in die Stube kommen …«
    »Bringen Sie mir bitte das Frühstück aufs Zimmer«, beeilte sich Friederike zu erwidern. »Ich ziehe es vor, noch einen Tag im Bett zu bleiben.«
    Sie hatte das Gefühl, überhaupt

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