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Die Praktikantin

Die Praktikantin

Titel: Die Praktikantin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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dem Foto nicht so sympathisch fand.«
    »Zu mir war er wirklich nett. Der wirkte teilweise sogar etwas unsicher, hat einmal minutenlang gar nichts gesagt und schien mit den Gedanken ganz woanders.«
    »Und hast du auch gleich die anderen Leute dort kennengelernt?«, fragte Mama.
    »Da war niemand anders«, sagte ich. »Nur der Herr Walder und ich. Als ich kam, habe ich eine ältere, ziemlich dicke Frau im Flur verschwinden sehen. Sonst waren wir die ganze Zeit allein.«
    »Hat der Herr Walder denn schon eine Wohnung hier?«
    Oma wollte das nur wissen, weil sie selbst Wohnungen vermietete.
    »Das hat er nicht erzählt, und ich habe ihn natürlich nicht gefragt. Das gehört sich doch nicht bei einem Bewerbungsgespräch.«
    »Ich mein ja nur. Wenn er was sucht …«
    »… werde ich ihm bestimmt nicht deine Nummer geben, Oma. Der ist jetzt mein Chef.«
    »Ist das so ein ganz Großer mit dunklen Haaren und hellblauen Augen? Ich glaub, ich hab den neulich in der Welt von Buddha und Shiva gesehen und mich schon gewundert, weil ich dort doch eigentlich alle kenne«, sagte Mama. Sie sammelte Buddhafiguren.
    »Ja, groß ist er, bestimmt eins neunzig. Aber auf seine Augenfarbe habe echt nicht geachtet. Das Einzige, was mir aufgefallen ist, sind seine Hände. Der hat kleinere Hände als ich, Mama.« |58| Einen Hang zu einer Altherrenfigur hatte er auch und ziemlich weiße Haut. Aber das sagte ich meiner Mutter lieber nicht. Sonst würde sie mich wieder beiseite nehmen und mir einen Vortrag darüber halten, andere Menschen nicht immer nur nach dem Aussehen zu beurteilen.

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    |59| NEUN
    Ich hätte Elisabeth Renner natürlich auch fragen können, ob sie nicht gleich morgen mit ihrem, selbstverständlich unbezahlten, Praktikum beginnen wolle. Doch das hatte ich bewusst nicht getan. Denn erst am Montag wollte ich das Grainer’sche Interregnum endgültig beenden. Für diesen Tag hatte ich eine Art Strategiekonferenz geplant. Und Frau Renner war ein Teil dieser Strategie.
    Ich hatte auch die ein Dutzend freien Mitarbeiter eingeladen, die für uns arbeiteten und ohne die es kaum gelungen wäre, jeden Tag zwischen vier und acht lokale Zeitungsseiten zu füllen. Der Rest, also die große Politik, Wirtschaft, Kultur, das Vermischte und der Sport, kam seit langem von einer Mantelredaktion aus München, die außer uns noch zehn andere Zeitungen in der Region belieferte. Aber das war jetzt nicht mein Thema. Ich eröffnete die Sitzung um Punkt 10 Uhr.
    »Liebe Kollegen, ich hatte Ihnen bei meinem Amtsantritt versprochen, nicht zu schnell große Veränderungen an der Zeitung vorzunehmen.« Hatte ich das wirklich? Egal. Batz kam als Letzter in den Konferenzraum, wie immer. »Ich hatte ein wichtiges Telefonat mit dem CDU-Kreisvorsitzenden«, sagte er, sah Elisabeth, stutzte und setzte sich auf den Platz neben ihr. Es war der Einzige, der leer geblieben war. Obwohl sich Frau Renner, wie von mir nicht anders erwartet, brav jedem einzelnen Redakteur und auch jedem freien Mitarbeiter vorgestellt und selbst auf das kaum zu verstehende »Ichbinderlenz« mit einem »sehr erfreut, Sie kennenzulernen« geantwortet hatte, hatte sich niemand an ihre Seite getraut. Batz blieb nichts anderes übrig. Es hätte doof ausgesehen, wenn er als Einziger stehen geblieben wäre.
    |60| Ich machte weiter: »Aber angesichts der sinkenden Auflagenzahlen müssen wir dringend mehr tun, wenn wir in zwölf Monaten noch alle hier sitzen wollen.« Ich guckte zu Rita Bolzen rüber. Sie schaute stur an mir vorbei, direkt auf das enge, gelbe Shirt von Elisabeth, das die Fotografin wahrscheinlich sowohl als Störung des Betriebsfriedens als auch als Angriff auf die Frauenbewegung verstand. Die Bolzen trug ausnahmslos weite Pullover oder Blusen und darüber heute eine Art Sakko mit dem kleinen, roten
Ver.di
-Anstecker.
    »Den Sport möchte ich bitten, künftig alle Fußballergebnisse schon am Montag im Blatt zu haben.« Was für eine Forderung! Das wäre in etwa so, als würde ein Chefarzt von seinem Assistenten verlangen, er möge erst einen Schnitt zwischen Unterleib und Bauchdecke machen, bevor er den Blinddarm des Patienten entfernt. Peperdieck schnappte trotzdem nach Luft. Bisher hatte er sämtliche Spiele und Tabellen auf die Woche verteilt, um täglich seine anderthalb Seiten voll zu kriegen und möglichst schon gegen 15 Uhr aus der Redaktion verschwinden zu können. Ein paar seiner Sportreporter murrten. Hatte ich erwähnt, dass selbstverständlich auch alle freien

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