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Die Praktikantin

Die Praktikantin

Titel: Die Praktikantin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Grainer, ich meine natürlich, Herbert, wie findest du eigentlich die Praktikantin? Macht doch einen guten Eindruck, oder?«
    Er reagierte nicht auf die Frage.
    »Ich glaube, du musst zu von Alsleben, Johann«, sagte mein neuer Duzfreund, zog seine grüne Fliege zurecht und verließ ohne ein weiteres Wort den Konferenzraum.
    Baron Heinrich von Alsleben war der wichtigste Mann der Stadt. Vor fünfzehn Jahren hatte der Chef der Wützener Wurst AG die zwei größten Konkurrenten in der Region und dazu noch eine Schlachtereikette mit dreißig Filialen übernommen. Inzwischen machte sein Unternehmen einen Umsatz von mehr als einer halben Milliarde Euro. Von Alsleben war Governor des Rotary-Distrikts geworden, Vorsitzender der Mittelstandsunion, Präsident des Wützener SV, Ehrenvorsitzender der CDU Wützen und Mitglied des Ordens der ehrlichen Kaufleute, von denen es in der Stadt immerhin neun gab. Außerdem galt er als engster Vertrauter der wichtigsten Politiker des Landes.
    »Der Baron hat die größte Sammlung von Miniaturmühlen in Deutschland«, erzählte ich, warum auch immer, Elisabeth Renner, als wir auf dem Weg in die Wurstzentrale waren, die von der Redaktion zu Fuß in weniger als fünf Minuten zu erreichen war. |66| Wie fast alles in Wützen. »Ich treffe mich regelmäßig mit ihm, weil er als einer der am besten informierten Männer des Landes gilt.« Und weil ich das eine Mal, das wir uns bisher gesehen hatten, einen großen Koffer mit Salami, geräuchertem Schinken und Grillwürsten bekommen hatte, den ich heute natürlich entrüstet ablehnen würde. Solche Geschenke nehmen Redakteure nicht an, Chefredakteure schon gar nicht. Das verstößt komplett gegen das journalistische Ethos. (Der zwanzigprozentige Journalistenrabatt beim Kauf eines Neuwagens tut das auch und der Fünfzig-Prozent-Nachlass bei Air Berlin sowieso. Aber das ist ein anderes Thema, siehe www.journalistenrabatte.de .)
    »Herr Walder, schön, Sie so schnell wiederzusehen. Ich habe schon gehört, dass Sie nicht allein kommen.«
    Woher wusste der Alte, dass ich eine Praktikantin mitbringe? Oder sollte ich besser sagen: eine hübsche junge Frau?
    »Baron von Alsleben, darf ich Ihnen Elisabeth Renner vorstellen? Sie macht zurzeit ein Praktikum bei uns und begleitet meine Kollegen und mich bei verschiedenen Terminen.«
    »Ich bin erfreut, Sie kennenzulernen«, sagte der Baron und verbeugte sich leicht. »Frau Renner, darf ich Ihnen den Mantel abnehmen?«
    Das dürfte ihr gefallen haben. Fehlte nur noch, dass er ihr einen Handkuss gab.
    »Was wollen Sie trinken?«
    »Ich …« Oh, ich war wohl noch gar nicht dran.
    »Ich hätte gern ein Wasser.«
    »Gern. Und Sie, Herr Walder?«
    »Ich nehme alles, was Sie haben, nur nicht einen von ihren Super-Salami-Snacks. Der lag mir noch zwei Tage nach unserem letzten Treffen schwer im Magen.«
    »320 Kalorien, lieber Walder. 1,85 Euro das Stück. Der erfolgreichste Fleischsnack Deutschlands. Wollen Sie einmal kosten, Frau Renner?«
    »Ja, gern.«
    |67| Es waren die vorletzten zwei Worte, die meine Praktikantin bei von Alsleben sagte. Das letzte war »Wiedersehen«. Dazwischen redete ausschließlich der Baron. Er, der sonst eher verschlossen und vorsichtig mit der Weitergabe von Informationen war, plauderte über das Gespräch, das er kurz zuvor mit dem CDU-Ministerpräsidenten, einem alten Freund, gehabt und bei dem ihm dieser drei wichtige Veränderungen des Kabinetts mitgeteilt hatte.
    »Eigentlich darf ich die ja gerade Ihnen nicht sagen, Herr Walder. Aber wo Sie schon mal mit einer so netten Begleitung gekommen sind: Also, der Wirtschaftsminister soll …«
    Als meine Praktikantin und ich nach einer Stunde von Alslebens Büro verließen, konnte ich immer noch nicht glauben, dass der Baron uns die Namen von Ministern genannt hatte, die wahrscheinlich selbst noch nicht wussten, dass sie nicht mehr lange welche sein würden. Morgen würden wir damit die Nachrichtenlage im Land bestimmen. Erstmals würde das kleine Lokalblatt als Quelle einer wichtigen Geschichte in den großen Tageszeitungen der Region erwähnt werden, vielleicht sogar in den
Metro-News
. Und im Fernsehen. »Das ist allein Ihr Verdienst. Wenn Sie nicht dabei gewesen wären, hätte er bestimmt nicht einen Namen verraten«, sagte ich zu Frau Renner.
    »Aber Herr Walder«, sagte sie. »Ich habe doch einfach nur dagesessen und zugehört. Ich habe doch gar nichts gemacht.«
    »Manchmal reicht das.« Wenn man kullernde braune Augen hat und lange

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