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Die Praktikantin

Die Praktikantin

Titel: Die Praktikantin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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schlecht nun auch wieder nicht.
    |74| Ich hatte nicht erzählt, dass ich noch eine Wohnung in München hatte, war in einer Tagungspause aber trotzdem dorthin gefahren. Das erste Mal seit meinem Arbeitsbeginn in Wützen. Offensichtlich war Marie in der Zwischenzeit hier gewesen. Sie hatte ihre Bücher und Bilder, sämtliche Klamotten, zwei Sessel, den Schreibtisch und den Fernseher mitgenommen. Irgendwer musste ihr geholfen haben. Ich suchte nach einer Nachricht, nach einem Brief auf dem Bett, auf dem nur noch eine Decke und ein Kissen lagen, nach einem Zettel am Kühlschrank. Ich fand nichts. Das Einzige, was von Marie in der Wohnung geblieben war, war der Verlobungsring auf der Deutschlandkarte. Der Anblick tat mir immer noch weh. Ich schmiss die restlichen Lebensmittel aus dem Kühlschrank weg, zog den Stecker raus und verließ die Wohnung nach nicht einmal einer halben Stunde wieder. Im Hilton fühlte ich mich wohler.
    Als ich drei Tage, zwölf Geldanlagevorträge und einen Theaterbesuch später zurück nach Wützen und in die Redaktion kam, war Elisabeth nicht da.
    »Ich habe sie nach Hause geschickt. Wir hatten heute nichts für sie zu tun«, sagte Grainer auf meine leicht vorwurfsvolle Frage, wo denn die Praktikantin sei. (Vielleicht hätte ich mich erst erkundigen sollen, ob irgendetwas Wichtiges passiert war. Was soll’s, man muss Prioritäten setzen.) »Ansonsten gab es keine Probleme. Wir sind jeden Tag rechtzeitig fertig geworden, Johann.« Rechtzeitig fertig geworden zu sein war für mich nun zwar kein ausgesprochenes Indiz für bestechende journalistische Qualität, aber ich sagte erst mal nichts.
    Grainer hatte sich offenbar während meiner Abwesenheit an meinen Schreibtisch gesetzt, sein Kaffeebecher mit Sternzeichenmotiv (Skorpion: »Der geborene Anführer. Er sagt, wo es langgeht. Die anderen folgen.«) stand noch neben dem Bildschirm, außerdem war der Sitz niedriger. Ich pumpte ihn wieder hoch.
    »Und, wie war es mit den Sparkassen-Fritzen?«, fragte mein Stellvertreter.
    |75| »Die würden in Kooperation mit uns gern viermal im Jahr eine große Finanzbeilage herausgeben.«
    »Das können wir nun wirklich nicht auch noch machen, Herr Walder, wirklich nicht.« Rita Bolzen, wer sonst. Sie hörte leider immer nur die Sätze, die sie nicht hören sollte.
    »Die sollen Anzeigen schalten und uns nicht ständig mit Pressemitteilungen zumüllen.« Peperdieck, natürlich. Fehlte von den notorischen Nörglern nur noch Batz. Aber der sagte nichts. Von meinem Platz aus konnte ich ihn nur von hinten sehen. Und seinen Bildschirmschoner: ein sabberndes Pferd mit dem Gesicht von Grainer.

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    |76| ZWÖLF
    »Herr Walder?«
    »Ja?« Ich war gerade dabei, den morgigen Aufmacher über eine alte Dame zu redigieren, der von den Behörden Haus und Grundstück weggenommen werden sollten. Eine schwierige Geschichte.
    »Hätten Sie ein paar Minuten für uns?« Batz und Peperdieck standen vor meinem Tisch. Es muss kurz nach fünf gewesen sein, Grainer war gerade gegangen.
    »Was gibt es denn?«
    »Das würden wir gern mit Ihnen im Konferenzraum besprechen.«
    Batz setzte sich rechts, Peperdieck links von mir hin.
    »Dürfen wir rauchen?«
    »Sie wissen doch, dass Frau Bolzen ein absolutes Rauchverbot im ganzen Gebäude durchgesetzt hat.«
    »Aber es ist doch keiner mehr da.«
    Außer den vier Putzfrauen natürlich, von denen eine gerade über meinen Schreibtisch wischte und dabei die halb volle Cola-Zero-Flasche umschmiss. Ich musste mit Volkerts dringend darüber reden, dass wir das Damenquartett in den hellgrauen Jogginganzügen nicht jeden Abend brauchten und dass mir viermal sechs in Rechnung gestellte Arbeitsstunden für dreihundert Quadratmeter Grundfläche reichlich viel erschienen. Hatte ich gesagt, dass die Reinigungskräfte zum Dienstleistungsimperium des Herrn Schmidt gehörten?
    »Na gut, rauchen Sie.«
    »Wir wollen mit Ihnen über Ihren Stellvertreter sprechen«, sagte Batz.
    »Über Ihren Duzfreund«, ergänzte Peperdieck.
    |77| »Über Herrn Grainer?«, fragte ich.
    »Genau, über den«, kam es unisono von beiden.
    Dann redete Batz die nächsten zwanzig Minuten fast allein, und zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass mich seine Stimme an ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte erinnerte. Er schnaubte wie Hitler. Peperdieck rauchte und nickte dazu, einmal grunzte er. Ich hatte gewusst, dass Grainer Batz nicht besonders schätzte, und natürlich auch gemerkt, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte. Muss

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