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Die Praktikantin

Die Praktikantin

Titel: Die Praktikantin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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erlebt.«
    »Na ja, ich glaube, das lag nur daran, dass Sie nicht da waren. Wenn Sie da sind, ist die Stimmung ganz anders. Da macht es richtig Spaß, viel zu arbeiten.«
    Der Zimtgeruch nahm mir fast die Luft.
    »Gut, dann gehen Sie bitte morgen um 9 Uhr ins Rathaus. Da lernen Sie den Bürgermeister gleich mal kennen. Und denken Sie sich bloß weiter so gute Themen aus.«
    »Gern, Herr Walder. Wenn Sie einmal eine Idee für mich haben, immer her damit. Ich mache alles.«
    »Ich denke mal drüber nach.« Ich musste schnell darüber nachdenken. Ich wollte noch nicht aufhören, noch nicht wieder allein sein mit dem Deckenbuddha. Es war schön, mit ihr zu telefonieren. Hoffentlich fragte die Mutter nicht, mit wem sie jetzt schon fast zehn Minuten sprach. Was sollte sie sagen? »Mama, das ist nur mein Chef. Das ist doch ganz normal, dass der mich gegen halb zehn anruft. Das macht der mit allen Praktikantinnen.« Ich sah mich schon vor dem Arbeitsgericht. Anklage: fernmündliche Unzucht mit Abhängigen.
    »Herr Walder, sind Sie noch dran?«
    »Natürlich, Elisabeth, natürlich. Ich hätte vielleicht eventuell wirklich eine besondere Idee für Sie.«
    Was für eine Formulierung: »hätte vielleicht eventuell wirklich«, doppelte Einschränkung mit abschließender Bestärkung |83| des Möglichen im Konjunktiv. Was hatte mein Deutschlehrer bei der Abiturprüfung zu mir gesagt: »Johann, wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Machen Sie später im Beruf nichts, was mit der deutschen Sprache zu tun hat.« Hatte er doch recht gehabt?
    Ich musste Zeit gewinnen. Ich wollte noch ein wenig ihre Stimme hören, die Stimme eines Menschen, der geduscht und weiblich war. Es war komisch, sich mit jemandem zu siezen, der gerade einmal acht Jahre jünger war. Sie hätte meine Freundin sein können. Ich meine natürlich
eine
Freundin.
    »Ich habe da schon länger ein Projekt im Kopf, aber dafür bisher nicht den richtigen Autor gefunden, Elisabeth.«
    Genau. Nur welches?
    »Wissen Sie, die meisten der Kollegen scheuen ja längere Recherchen und den Kontakt zu Menschen.«
    Eigentliche ideale Eigenschaften für Journalisten.
    »Ich traue den angestaubten Herren in meiner neuen Redaktion nicht zu, dass sie das Projekt so machen, wie ich mir das vorstelle. Habe ich Ihnen eigentlich erzählt, dass ich noch gar nicht so lange bei der Wützener Zeitung bin?«
    »Erzählt haben Sie das nicht, aber ich habe ein bisschen gegoogelt. Sie waren doch vorher bei den Metro-News?«
    Sie. Googelt. Mich. Ich brauchte dringend eine Idee.
    »Ja, stimmt. Aber da war ich nur Stellvertreter. Ich wollte endlich allein für etwas verantwortlich sein.«
    Zwar nicht für die
Wützener Zeitung
, aber das musste die Praktikantin ja nicht wissen. Ich überlegte einen Moment, ob ich von der »Post vom Verleger« erzählen sollte, die ich neben dem Badezimmerspiegel aufgehängt hatte, um jeden Morgen zu wissen, was ich hier eigentlich machte.
    »Meine Eltern sagen, dass man der Zeitung schon ansieht, dass ein neuer, junger Chef da ist.«
    Sie hatte mit ihren Eltern über mich gesprochen. Hoffentlich hörte ihre Mutter nicht heimlich mit.
    |84| »Schön, das freut mich. Sie bringen auch richtig Schwung rein, Elisabeth.«
    Ich redete schon wie sie. So 68er-Style.
    »Herr Walder?«
    »Ja?« Ja?
    »Was ist denn das jetzt für ein Projekt?«
    »Ja, ich habe mir überlegt … Oh, der Akku ist fast leer. Kann ich Sie in einer Viertelstunde noch einmal anrufen?«
    Ein nicht-schnurloses Telefon, bei dem der Akku leer ist. Das hatte selbst Wützen noch nicht erlebt.
    »Natürlich, Herr Walder. Bis gleich.«
    »Bis gleich.«
    Fünfzehn Minuten sind nicht wirklich viel, um sich ein Projekt auszudenken, das man angeblich schon soooo lange im Kopf hat. Was konnte das sein? Was konnte eine junge Frau besser als abgeschlaffte Redakteure? Einen Test der Biosupermärkte? Wützen hatte nur einen. Die Wahrheit über Tagesmütter herausfinden, die geheimen Tricks der Versicherungsvertreter? Oder sollte sie lieber den großen Altenheimtest machen: Wo liegen sich die meisten wund?
    Noch acht Minuten. Ich musste sie zurückrufen, ich wollte sie zurückrufen. Was waren die Themen der vergangenen Wochen? Hartz IV, Finanzkrise, Pflegenotstand. Die Serie »Ich bin obdachlos« hatte gerade eine
Metro-News
-Redakteurin gemacht. Sie hatte zwei Wochen für erbettelte 9 Euro oder so am Tag gelebt. (Und war einmal mit mir für 89 Euro essen gegangen. Ich hatte bezahlt. Geschrieben hatte sie davon in ihrer

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