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Die Praktikantin

Die Praktikantin

Titel: Die Praktikantin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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vielleicht so sein bei Lokalredakteuren, vor allem, wenn sich der eine mit seinen Kommentaren am äußersten linken und der andere am äußersten rechten Rand bewegt. Dass Batz Grainer hasste wie Osama Bin Laden George Bush, hatte ich allerdings nicht geahnt.
    »Sie kennen Herbert noch nicht lange, aber Sie müssen doch längst gemerkt haben, dass er hier der mit Abstand schlechteste Journalist ist. Spielt den großen Stellvertreter und kann noch nicht einmal einen Kommentar von einer Nacherzählung unterscheiden.«
    Batz fletschte die Zähne.
    »Wissen Sie eigentlich, was der vorher war? Biokostausfahrer! Dann hat er angeblich ein Aufbaustudium an einer Fernuni gemacht. Schließlich hat ihn sein Schwager hier in der Redaktion untergebracht, weil dessen Frau die Cousine vom alten Ludolf war.«
    Das war der ehemalige Verlagsleiter.
    »Ihr Vorgänger hat Grainer einfach ignoriert. Seit Sie sich mit ihm duzen, glaubt er endgültig, der Größte zu sein. Sie hätten mal sehen sollen, wie der uns behandelt hat, als Sie nicht da waren. Hat jedem zwei Seiten auf den Tisch geknallt und nur gesagt: ›Sieh zu, wie du sie voll kriegst. Bis fünf, verstanden? Wir essen heute zeitig.‹ Dann hat er sich an Ihren Schreibtisch gesetzt und mit dem Bürgermeister verbinden lassen, um ihm zu erzählen, dass er ganz allein das Blatt macht und Ihr volles Vertrauen genießt. Es war so lächerlich. Am Nachmittag ist er zum |78| Diktat ins Rathaus verschwunden und um kurz nach vier nach Hause gegangen. Da hatten wir noch nicht einmal die Hälfte der Zeitung fertig.«
    Batz zündete sich die nächste Zigarette an. Mir tränten allmählich die Augen.
    »Es reicht ihm offensichtlich nicht, dass die ganze Stadt über seine Texte lacht. In der CDU nennen sie ihn nur ›die heiße Quelle‹. Sie wissen schon, weil der Bürgermeister …« Er machte eine Bewegung, die wohl andeuten sollte, dass ein Mann sich einem anderen von hinten nähert.
    »Grainer ist doch nicht mehr als die ferngesteuerte Verkündigungsmaschine des Bürgermeisters und der GAL. Die CDU …«
    »Für die Sie seit zehn Jahren in irgendwelchen Orts- und Kreisvorständen sitzen.« Ich wagte es, Batz das erste Mal zu unterbrechen.
    »Woher wissen Sie das? Natürlich, das hat Grainer Ihnen erzählt, wer sonst. Der hat ja nur Angst, dass jetzt auch mal eine andere Partei ins Blatt kommt und er die Gnade des Bürgermeisters verliert. Jetzt, wo Sie da sind.«
    »Wieso, wo ich da bin?«
    »Na ja, man sieht Ihnen Ihre politische Einstellung doch an.«
    Wenn er wüsste: Nicht jeder, der sich morgens deodoriert und einen dunkelblauen Anzug anzieht, ist gleich ein strammer Konservativer.
    »Mir ist egal, was Sie wählen, Herr Walder. Aber wie Grainer sich hier aufführt, das ist mir nicht egal. Uns allen nicht. Wir haben den und seine grauenvollen Texte jetzt vierhundertdreiundzwanzig Jahre stillschweigend ertragen, weil er uns wenigstens nichts zu sagen hatte. Aber wenn sich das jetzt ändert, gehen wir auf die Barrikaden. Wir fordern Sie auf, ein Machtwort zu sprechen oder Grainer am besten gleich seines Postens zu entheben.«
    Wir? Peperdieck nickte nicht einmal mehr, sondern starrte nur noch auf seine Schuhe. Die Putzfrauen ließen eine Proseccoflasche |79| kreisen. Hatten sie einen Zweitschlüssel zu den Vorräten von Frau Schmidt?
    »Nun übertreiben Sie mal nicht, Herr Batz. So schlimm wird es schon nicht gewesen sein. Und schuldlos sind Sie an Grainers Verhalten auch nicht. Oder meinen Sie, es freut ihn, wenn er sieht, dass Sie sein Gesicht auf ein Pferd montiert haben?«
    »Der kann froh sein, dass ich nicht ein Warzenschwein genommen habe.«
    »Ist gut, Herr Batz. Es reicht. Auf dem Niveau sollten wir uns nicht weiter unterhalten.«
    Ich stand auf.
    »Vielleicht sollten Sie lieber mal mit Ihrer Praktikantin über Grainer sprechen, Herr Walder«, sagte Batz. Jetzt nickte Peperdieck wieder.
    Was hatte Elisabeth mit dem Krieg zwischen den Dreien zu tun?
    Ich wollte sie ungern aus der Redaktion anrufen. Eigentlich wollte ich sie gar nicht anrufen, weil sich das für einen Chef nicht gehört. Es sei denn, er hat einen konkreten Auftrag.
    Hatte ich einen konkreten Auftrag? Irgendeinen Termin, zu dem ich sie morgen vor der Konferenz schicken konnte? Für den ich sie deshalb noch heute anrufen musste? In der Liste stand für 9 Uhr nur eine Pressekonferenz im Rathaus. Der Bürgermeister wollte ein neues Hilfekonzept für die Angehörigen von homosexuellen Menschen in finanziellen Nöten

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