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Die Praktikantin

Die Praktikantin

Titel: Die Praktikantin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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dreißig. Meine Praktikantin. Ich saß neben Ostwasser, sie mir gegenüber. Es hätte ein perfekter Abend werden können.
    Ich hatte gehofft, dass Elisabeths bisher gut versteckte Bewunderung für mich durch den übermäßigen Genuss der von Alsleben’schen Weine offen ausbrechen könnte. Spätestens wenn wir nach dem »offenen Interview« noch zu zweit irgendwo den Abend beenden würden. Doch sie trank nur eine Schorle, während Ostwasser mich schon nach wenigen Minuten zu einem ersten Cognac nötigte. Als er dann seinen knapp halbstündigen Vortrag darüber gehalten hatte, was in diesem unserem L a n d alles besser werden müsste (alles) und wer es besser machen |123| könnte (nur die FDP), ließ er uns das nächste Glas einschenken. »Das ist wirklich eine gute Sorte. Aber, lieber Herr Walder, ich habe das Gefühl, Sie teilen meine Einschätzung nicht.«
    Ich litt zunehmend unter Wahrnehmungsstörungen. Ich hatte Alkohol noch nie gut vertragen, wollte aber, dass weder Elisabeth noch Ostwasser etwas davon bemerkten. Der redete einfach weiter: »Dabei sind Sie doch ein moderner junger Mann. Gegelte Haare, so eine schöne Krawatte …«
    Mein Einsatz. »Die habe ich extra für Sie gekauft.«
    Was ich eigentlich hatte sagen wollen: Die habe ich extra für den heutigen Abend gekauft. Aber das ließ sich nicht mehr korrigieren. Ostwasser starrte auf meinen knallig-rosafarbenen Binder. Alle anderen starrten auf mich. Den Chefredakteur, der es gewagt hatte, dem Spitzenkandidaten der FDP offen ins Gesicht zu sagen, dass er die Farbe seiner Krawatte nach dessen sexueller Neigung ausgewählt hatte. Ja, auch Ostwasser war schwul, wie inzwischen offensichtlich alle Politiker Deutschlands.
    »Ach, Herr Walder«, näselte er, »isch wuschte ja gar nischt, dass Sie auch einer von unsch sind. Nein, wie fein.«
    Von Alsleben brüllte als Erster, dann alle anderen. Homo-Politiker gegen Hetero-Chefredakteur – k. o. nach dem zweiten Glas. Ich zupfte mir vor lauter Verlegenheit ein Haar aus der Nase. Elisabeth sah pikiert herüber. Dann lachte sie auch. Aus Höflichkeit, hoffte ich.
    Zwei Stunden später standen wir vor ihrem Auto. Ostwasser war gerade Richtung Berlin abgedampft, und von Alsleben hatte seinen Leibwächter wieder zum Fahrer degradiert. Elisabeth war mit ihrem zwölf Jahre alten Volvo gekommen. Sie nannte ihn den roten Blitz. Und so fuhr sie auch.
    »Soll ich Sie nach Hause bringen, Herr Walder?«
    Dieses verdammte überkommene, distanzierende Sie.
    »Elisabeth, wollen wir nicht endlich Du zueinander sagen?«
    »Aber Herr Walder, Sie kennen doch meine Einstellung. Ich denke, dass sich das für eine Untergebene nicht gehört.«
    |124| »Sie sind für mich doch längst keine Untergebene mehr. Wir könnten sogar heiraten, und niemand dürfte mir einen Vorwurf machen.«
    Von wegen Kostenstelle, Never fuck the company und dem ganzen anderen Quatsch. Ich lallte ziemlich. Sie lachte. Immerhin. Ich würde Schwierigkeiten beim Einsteigen haben.
    »Sollte das jetzt ein Antrag sein?« Sie wollte keine Antwort auf diese Frage. »Ach Herr Walder, ich habe Ihnen so viel zu verdanken. Vielleicht treffen wir ja in den nächsten Monaten noch einmal irgendwo beruflich aufeinander. Da wäre es doch nicht gut, wenn wir uns duzen würden.«
    Offensichtlich hatte sie von Beziehungen, die zu Karrieren führen, überhaupt keine Ahnung.
    »Also, soll ich Sie noch schnell nach Hause bringen?«
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Frau Renner.«
    »Sie können mich ruhig weiter Elisabeth nennen, Herr Walder.«
    »Dann müssen Sie aber auch Johann zu mir sagen.«
    »Das kann ich nicht.«
    »Das können Sie nicht? Dann fahren Sie mal los, Frau Renner.«
    Ich schaffte es nicht, mich anzuschnallen. Egal.
    »Elisabeth reicht wirklich, Herr Walder.«
    »Johann auch, Frau Renner.«
    »Ich kann das nicht.«
    Bis zur nächsten Ampel sagte keiner etwas. Elisabeth hatte sich auch nicht angeschnallt, fummelte mit der rechten Hand am Radio herum, stellte mit der linken den Spiegel ein: Scheiße, wer fuhr eigentlich? Ich merkte, dass der rechte Rand meines schwarzen Schuhs braun glänzte. Noch mal Scheiße. Jetzt aber wirklich. Ich neige dazu, in jeden noch so offensichtlichen Haufen zu treten. Hoffentlich würde sie es nicht merken.
    »Herr Walder?«
    »Ja?«
    |125| »Ist es nicht komisch …«
    … dass es hier so riecht? Mist, sie hatte es doch gemerkt.
    »… dass ein Chef so intensiven Kontakt mit einer ehemaligen Praktikantin hat?«
    Nun, mir war der

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