Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)
Krieger. Auf den Gesichtern das verkrustete Blut der Redarier.
Sie konnte nicht mit ihrem kleinen Messer gegen sie kämpfen, um sie unter ihren Willen zu zwingen. Aber es mußte einen Weg geben, sie nach Rethra zu führen. Gewann sie vielleicht den Blonden für sich, wenn sie ihm zulächelte? Dann bewahrte er sie vor den gierigen Blicken und Händen der anderen, würde sie anfahren, so wie Nelet es getan hatte. Er schien der Anführer zu sein. Hatte sie ihn unter ihrem Einfluß, konnte sie dann nicht die ganze Gruppe lenken?
Ein Pferd schnaubte. Da, zwischen den Bäumen, das mußte die Raststatt der Franken sein. Ihre Tiere wurden von zwei Kriegern bewacht. Ein weiterer Mann stand auf der Lichtung, hager, in eine schwarze Kutte gehüllt, um den Bauch einen hellen Gürtel mit Silberschnalle. Seinen Kopf bedeckte kärglicher rotblonder Flaum. Vernarbt wie die Rinde einer alten Eibe war sein Gesicht. Die Schläfen lagen in Höhlen, und von den Wangenknochen lief das Kinn spitz herab. Ein Mardergesicht. Der Kiefer des Mannes knirschte hin und her. Starr blickte er auf die Ankommenden. Er trug das Zauberzeichen der fränkischen Priester an einem Lederband um den Hals,
Mönch
nannten sie sie, das war das Wort, aber nicht alle Priester waren Mönche, so hatte Vater es ihr erklärt.
»Wer ist die?« krächzte der Hagere gleich, als sie auf die Lichtung traten.
Embricho beachtete die Frage nicht. »Wir waren deutlich in der Überzahl, genau wie Audulf es gesagt hat. Trotzdem haben sie Ebo und Morhard arg zugesetzt.«
»Laufen und Reiten können sie noch?«
»Ich denke schon, wenn wir Ebo eine Krücke schlagen. Das Lederzeug hat sein Bein vor dem Schlimmsten bewahrt.«
»Und warum habt Ihr ausgerechnet ein Weib mitgebracht? Konntet Ihr keinen Mann gefangennehmen?«
»Tietgaud, Ihr habt hier bei den Pferden gestanden.« Der Blonde holte tief Luft und sah zur Seite, bevor er weitersprach. »Hört, Euch ist nie eine Axtklinge am Ohr vorbeigefaucht. Ihr kennt das blutige Geschäft des Tötens nur aus Erzählungen. Mit zwei Dutzend Männern wollt Ihr in das Land der Wenden einfallen und habt einfach keine Vorstellung davon, mit welcher Kraft man uns daran hindern wird. Einen Mann gefangennehmen? Welcher Wende, der auch nur noch einen Finger krümmen kann, würde sich gefangennehmen lassen?«
Der Mönch passierte Embricho und stellte sich vor Alena. Er war zwei Handbreit kleiner als sie. Was, wenn er sie auf der Stelle erwürgte? Die Kopfhaut zog sich ihr zusammen, während sie fast schon meinte, seine Hände am Hals zu spüren. Sie hatte sich getäuscht, nicht der Blonde war der Anführer. Und diesen hier würde sie in hundert Jahren nicht auf ihre Seite ziehen. Die dunklen, fast schwarzen Augen in dem Mardergesicht drangen in ihren Geist ein.
»Du«, sagte der Priester-Mönch. Es klang sehr hart. »Du. Sprechen Fränkisch?« Wie Aasfresser stürzten sich seine Augen auf ihre Stirn.
Sie mußte den Geist verschließen! Die Antwort, er durfte sie nicht sehen. Hilfesuchend sah Alena zu Embricho hinüber. Scharlachrot ihre Wangen.
»Natürlich nicht«, stellte der Mönch fest. »Und Latein?
Loquerisne Latine?
«
»Sie spricht weder Fränkisch noch Latein. Ihr Name ist Alena.«
»Wo – ist – Rethra?« Fremde Speicheltropfen trocknetenneben ihrem Mund. Das vernarbte Gesicht war ganz nahe herangekommen. »Reth-ra?«
Sie zuckte die Achseln.
»Teufelshure!« brüllte der Mönch. Ein Speichelschauer. Er wendete sich ab. »Sie weiß genau, was ich meine. Sie weiß es genau.«
Eine unsichtbare Kraft ging von ihm aus, die all die starken Krieger zu Boden blicken ließ. Nur der Hüne sah ihm hinterher, wie er mit wohlbemessenen Schritten zur anderen Seite der Lichtung lief. Dort angekommen, sagte der Marder: »Tötet sie.«
Alena sah den blonden Hünen an. Lächelte ihm zu. Kleine Tränenseen sammelten sich in ihren Augen, aber sie blinzelte sie weg. Er durfte nicht wissen, daß sie verstanden hatte. Sie versuchte, weiter zu lächeln, mußte schlucken. War es nicht schwerer, ein Lamm zu töten, wenn es auf dem Weg zum Schlachtplatz sein weiches Maul ins Gras hinabsenkte und hilflos daran rupfte? Nicht für einen Wimpernschlag nahm sie ihren Blick von Embrichos Augen. Sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug, und hoffte, seines würde sich ebenfalls beschleunigen. Ein Ruck an seinem Hals war zu sehen, eine Bewegung des Kehlkopfs. Sie hatte ihn berührt.
»Tietgaud, wartet. Ich denke, sie kann uns noch
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