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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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und die anderen zurückkehren, Alena mit ihnen. Es galt, ein Menschenopfer vorzubereiten. Es galt, den Weg für Alenas Hochzeit zu bahnen. Er konnte Schwierigkeiten nicht gebrauchen. Überhaupt nicht. Das Seltsame war, daß Doniks leichte Verfehlungen nicht nach Schwierigkeiten rochen. Sie schienen unwichtig, und gerade diese Belanglosigkeit machte Nevopor unsicher. Schwierigkeiten begannen nicht in einem Wispern, sie platzten laut heraus. Im Flüsterton kündigten sich nur Katastrophen an.

10. Kapitel
     
     
    Leise tropfte es von den Bäumen herunter. Es war ein zärtliches Geräusch, eines, das Frieden und Ruhe ausströmte. Das Brausen des Regens fand darin seinen Nachhall, nicht wild und unnachgiebig, wie es der Regen gewesen war, sondern versöhnlich.
    Der Hüne ließ den Hinterlauf des Rehs sinken, das er über den Boden geschleift hatte. »Alena, warte einmal. Ich muß dir etwas sagen.«
    Sie drehte sich herum. Ihre Hände hielten den Saum des nassen Kleides in die Höhe, und in der Senke vor ihrem Bauch lag ein Haufen wilder Stachelbeeren. Daß Embricho das Unterkleid sehen konnte, störte sie nicht. Sie lächelte ihn an. Was für ein wilder Taumel! Sie war verrückt, und es war herrlich. »Was betrübt dich, mein starker Recke?«
    »Nein, nenne mich nicht so. Es ist …« Er konnte ihrem Blick nicht standhalten, senkte den Kopf.
    »Sprich.«
    »Wir sollten das nicht wieder machen, ich meine, uns küssen.«
    »Ich weiß.« Sie konnte einfach nicht aufhören zu lächeln.
    »Du verstehst nicht. Es … es ist einfach nicht gut.«
    »Natürlich. Wir müßten Feinde sein.«
    »Wir sind Feinde. Mein Volk und dein Volk verbindet nur Haß. Mein Gott und … deiner … Ich meine, als Christen halten wir für Dämonen, an was ihr glaubt. Alena, wir haben nicht nachgedacht, haben wie im Traum gehandelt.«
    »Und im Traum hast du deinen Speer gegriffen, mitten aus der Umarmung heraus, und ihn dem Reh in den Hals gerammt?«
    »Nein, das … Ich weiß nicht.«
    Sie flüsterte: »Weißt du, daß du schön aussiehst, wenn du so ratlos dastehst?« Wie ein kleiner Junge. Sie hatte ihn geküßt, sie hatte den Mann mit den zimbelkrautblauen Augen geküßt! Und er hatte es mit sich geschehen lassen. Natürlich hatte er es mit sich geschehen lassen. Sie war die Tochter Nevopors, des Hochpriesters.
    Alena sah auf die Stachelbeeren vor ihrem Bauch. Helle Adern verästelten sich unter der dornigen Haut der Beeren. Wußte er es denn? Wußte er, wer sie war? Nein. Er hatte keine Kenntnis von ihrem Rang unter den Redariern, von der Bedeutung ihres Vaters für das ganze Slawenland. Und trotzdem liebte er sie. Würde es ihn ängstigen, wenn er es erfuhr?
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte sie. »Wir werden uns im Lager nichts anmerken lassen. Nicht einmal zu dir hinschauen werde ich. Niemand wird erfahren, was geschehen ist. Es bleibt ein Geheimnis.«
    »Ich danke dir. Du bist sehr verständig.«
    »Was hast du erwartet? Daß ich zu Tietgaud laufe und ihm erzähle, wir hätten einander in den Armen gelegen?«
    »Vielleicht.«
    Sie lachte. »Wie es scheint, sind eure Frauen nicht gerade klug.«
    Etwas stimmte nicht an der Art, mit der Embricho den Rehlauf griff und das Tier weiterschleifte. Er ging dicht an ihr vorbei, ohne sie dabei anzusehen. Die Stirn war zerfurcht, die Augen lagen tief und klein im Gesicht. Er sah blaß aus.
    Alena beeilte sich, ihm zu folgen. Große, stampfende Schritte machte er.
    »Habe ich etwas Falsches gesagt?«
    »Nein.«
    »Doch, ich habe etwas Falsches gesagt. Was hat dich gekränkt? Bitte verzeih mir.«
    »Was soll ich dir verzeihen?«
    »Ich habe dich ärgerlich gemacht, ich merke das.«
    »Mich? Ärgerlich? Ich habe doch bloß die Frau geküßt, die ich vor vier Tagen gefangengenommen habe. Ich habe mich doch bloß mit einem Weib eingelassen, das heidnische Götzen anbetet. Deren Angehörige uns in wenigen Tagen die Köpfe vom Leib schlagen werden. Und tun sie das nicht, dann schlagen wir ihnen die Köpfe vom Leib. Ist es nicht so? Was wir getan haben, war furchtbar. Es hätte nicht sein dürfen.«
    Und noch? wollte Alena fragen. Da war mehr. Was ärgerte ihn noch? Was ärgerte ihn wirklich? Aber sie schwieg.
    Bis schon die Stimmen der anderen zu hören waren, bis der Lagerplatz kaum noch dreißig Schritt entfernt war, sagten sie nichts. Schließlich rührte Alena Embrichos Arm an. Ruckhaft wendete er ihr das Gesicht zu, und sie zog ihre Hand zurück, schuldbewußt. »Verzeihung. Ich würde dich gern noch

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