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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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anzurufen …«
    »Du wußtest das nicht? So bleibt dir sicher die Strafe erspart …« Was redete sie! »So bleibt dir sicher die Strafe dafür erspart, daß du seinen Namen genannt hast.«
    »Strafe?« Ein Schreien war es, ein entrüstetes Rufen. »Eine Strafe dafür, daß man des mächtigen Gottes gedenkt? Eine Strafe für das Anrufen des Himmelsschmiedes, des Schöpfers der Gesetze und des Lebens? Eine Strafe, weil ich den Namen dessen ehre, der Blitze schleudert, der die Sonne ist und der Mond, der den Frauen Fruchtbarkeit schenkt, der die heiligen Quellen und Hügel und Seen besucht, der uns den Sieg gibt über unsere Feinde?«
    »Wir beten seinen Sohn an, Svarožić.«
    »Seinen Sohn? Svarogh hat keinen Sohn! Was ist geschehen? Wer hat euch all das erzählt?«
    »Du redest wirr, Waldherrscher.«
    »Nein, ich habe nur lange geschlafen. Sehr lange, wie es scheint. Du bist es, die wirr redet und mich den Waldherrscher nennt. Der bin ich nicht.«
    Nicht der Waldherrscher. Lange geschlafen. Seit Alena denken konnte, betete man zu Svarožić. Niemand sprach mehr vom Göttervater, und wenn er Erwähnung fand, dann wurde geflüstert und sich gegenseitig ermahnt, rasch von etwas anderem zu reden. Wie lange mußte dieser Mensch geschlafen haben! Und wenn er nicht der Waldherrscher war, wer war er dann?
    »Hört zu«, sagte Tietgaud, »wenn Ihr bei uns seid, dann sprecht Fränkisch. Und hört auf, diese junge Frau anzuschreien. Was habt Ihr für einen Grund dazu?«
    »Ihr würdet es nicht verstehen, ob ich Fränkisch spreche oder nicht. Aber wie Ihr wünscht, ich werde fortan in Eurem Beisein nicht mehr Slawisch mit ihr reden.«
    Warum kniest du? bedeutete Embricho ihr mit den Lippen.
    Alena schüttelte den Kopf, stand aber auf. »Wie sollen wir Euch nennen?«
    Der Alte nickte langsam, als müßte er über ihre Frage nachdenken. »Ich bin Uvelan.«
    Uvelan. Ein seltsamer Name. Alena kannte niemanden, der so hieß. Aber er hatte gesagt, daß er lange geschlafen hatte.
     
    Die groben Dornen der Beere kratzten über Alenas Zunge. Sie schob sie von einer Seite zur anderen, rollte sie mit der Zungenspitze am Gaumen entlang. Dann drückte sie zu, half mit den Backenzähnen nach. Die Stachelbeere zerplatzte. Für einen Moment genoß Alena den süßen Geschmack, dann kaute sie die Haut. Sie schmeckte sauer. Alena griff nach einer neuen Beere. »Embricho«, fragte sie, »mögt Ihr noch eine Stachelbeere? Es ist die letzte.«
    Der Hüne sah sie an und zögerte kurz. Dann streckte er seine Hand aus.
    Alena lächelte. Sie nahm die Beere tief zwischen die mittleren Fingerknöchel. Als sie Embrichos Hand erreichte, streichelte sie mit den Fingerspitzen wie versehentlich über seinen Handteller, strich die großen Finger hinauf und ließ dann erst die Beere herabrollen.
    Embricho steckte sie sofort in den Mund. »Danke.«
    »Ist doch immer etwas Besonderes, wenn man noch Essen hat, obwohl eigentlich nichts mehr übrig ist, oder?«
    »Hm.«
    Er wollte nicht reden. Seit den Küssen im Regen vermied er es, sie anzusehen, das merkte sie deutlich. Es tat weh.
    Vor ihnen gingen Tietgaud und der Alte. Sie sprachen die ganze Zeit, Alena konnte jedes Wort verstehen. Wie hatte sie sich nur derartig gehen lassen können! Nicht einmal echte Reue wollte sie empfinden. Unvernunft hatte sie ergriffen wie ein Kind, und wenn sie ehrlich zu sich war, wehrte sie sich nicht dagegen.
    »Es wird nicht einfach die nächsten zwei Tage.« Uvelanwischte sich eine geflügelte Ameise vom Arm. »Erst wenn wir das Gebiet der Warnower erreicht haben, sind wir sicher. Sie achten den Weletenbund. Ich kenne Cealadrag, den König der Weleten, wir sind gute Freunde. Die Warnower werden uns sicheres Geleit geben, weil sie Cealadrag fürchten.«
    Cealadrag? Er war lange tot. Wußte das der Alte nicht? Es gab keinen Weletenbund mehr.
    »Und was ist mit dem Weg bis dahin? Ihr scheint Euch auszukennen. Könnt Ihr uns helfen, zum Gebiet der Warnower vorzustoßen?«
    »Vorher durchqueren wir Obodritenland. Wir können nur hoffen, daß wir niemandem begegnen.«
    »Und wie soll das gehen? Streifen diese Wenden nicht in Haufen und Rotten durch den Wald?«
    »Wenden? Habt Ihr gerade Wenden gesagt?«
    »Ich … was ist damit?«
    »Es gibt keine Wenden.« Uvelan hieb zornig den Arm durch die Luft. »Versteht Ihr das? Franken! Obodriten und Weleten sind verfeindet. Wie könnt Ihr es wagen, sie mit einem Namen zu nennen?«
    »Verzeiht. Also, die – wie hießen sie? – Obodriten,

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