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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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zogen sich von ihrem Gefährten zurück. Sie drängten sich an die Scheune, gerade noch nah genug, um verstehen zu können, was gesprochen wurde, aber in geeigneter Entfernung, um bei Gefahr fortzulaufen. Es war, als würden sie ihn opfern, weil sie hofften, so ihre Haut zu retten. Verlegen sah der junge Bursche auf seine Hände herab. Sie zitterten. Nach einem kurzen, furchtsamen Blick auf Nevopor nahm er sie hinter den Rücken.
    »Du hast Donik das Pferd gesattelt?«
    Er nickte. »Ich dachte … Ich konnte doch nicht wissen, daß er nicht in deinem Auftrag –«
    »Welches Pferd war es?«
    »Es war Unka, die Gescheckte. Eines von den Botenpferden.«
    »Warum kein gewöhnliches, langsameres Pferd?«
    »Er sagte, daß es ein schnelles sein sollte.«
    »Tatsächlich, das hat er gesagt? Was noch?«
    »Nichts, nur, daß er ein schnelles Pferd braucht und es gegen dieses dort eintauscht.« Der Bursche wies auf einen Braunen, dessen Zügel durch einen eisernen Ring an der Stallwand gezogen waren. Ein Holzeimer stand vor ihm, und Wasser tropfte vom Maul herab. Die Flanken des Pferdes zitterten.
    »Es hatte großen Durst?«
    »Nicht nur das! Es war auch völlig naßgeschwitzt. Ich habe es mit Stroh abgerieben.«
    »Wem hat Donik die Gescheckte übergeben?«
    »So genau habe ich da nicht hingesehen. Ein älterer Mann, ich glaube, er hatte einige Zahnlücken.«
    »Ist dir sonst etwas an ihm aufgefallen?«
    »Nein, ich –«
    »Wie heißt der Rappe, den der Anführer der Tempelgarde sein Eigen nennt?«
    »Ardagoste.«
    »Genau, Ardagoste. Sattle ihn.«
    »Du reitest dem Mann nach?«
    »Nein, nicht ich. Barchan selbst. Und sattle nur dieses Pferd. Er reitet allein.«
    Hammerschläge hallten aus der Ferne wider. Drei Schläge, einer leiser als der andere. Stille. Wieder drei Schläge: laut, leise, leiser. Stille.

12. Kapitel
     
     
    Es träufelte von Alenas Nase herab; sie spürte, wie Wasser aus dem ganzen Gesicht zusammenlief und sich an der Nasenspitze sammelte, bevor es sich mit einem feinen Kitzeln löste und fiel. Drip. Drip. Drip. Wenn sie die Augen öffnete, würde der Dreck hereinlaufen. Auch den Mund mochte sie nicht bewegen. Es war genug von dem fauligen Wasser zwischen den Lippen eingedrungen, daß sie den Geschmack stumpf und bitter mit der Zunge von den Zähnen lesen konnte.
    Sie kauerte auf allen vieren im Morast. Mit den Knien und den Handgelenken steckte sie im sumpfigen Grund. Die Vily umtanzten sie, lachten, wie ein Windhauch klang es: das Lachen ihrer durchsichtigen Körper. Sie faßten sich an den Händen und tanzten einen Reigen, rings um sie herum. Die rötlich blonden Haare wehten bei ihrem lustigen Tanz, die weißen Kleider flatterten. Wenn sie die Augen öffnen würde, würden sie sich in Schwäne verwandeln.
    »Ich habe keinen Kuchen, keine Rüben und keine Gurken für euch«, hörte Alena sich sagen. »Vergebt mir, daß ich mich ohne Geschenk genähert habe.« Sie würgte, nahm ihren Speichel zusammen und spuckte aus. Der faulige Geschmack erfüllte ihren ganzen Mund.
    Eine Vila beugte sich zu ihr herab. Sie streichelte Alena sanft über den Kopf. Die Berührung trieb ihr heißes Wasser in die Augen.
    »Könnt ihr die Obodriten nicht fortstoßen?« rief sie. »Bitte, befreit die Franken. Mein Geliebter ist unter ihnen, und mein Opfer, er ist beides.«
    Rauschen erfüllte die Luft. Erschrocken riß Alena dieAugen auf, sah zum Himmel. Die Vily? Nein, ein Storch war es. Er schwebte näher, schlug zum Landen kräftig die großen Flügel: Weiß waren sie am Körper, schwarz an den Enden. Nur wenige Armlängen entfernt setzte der Vogel die Beine in das dunkle Wasser und begann, mit ungelenken Stelzschritten durch das Schilf zu laufen. Er hielt den Kopf am langen Hals herabgesenkt, sah nach rechts und nach links, bog mit dem langen, roten Schnabel die Binsenhalme auseinander.
    Warum bemerkte er Alena nicht? War sie zur Vila geworden, unsichtbar?
    Da waren noch mehr Augen, die den Storch besahen. Sumpfschildkröten reckten ihre Köpfe aus dem Wasser; gelbe Hälse und starre, grelle Augen mit einem tiefschwarzen Punkt in der Mitte. Alena fühlte sich mit den Tieren verbunden, weil sie wie sie im Morast steckte. Sie betrachtete die schwarz und bernsteinfarben gemusterten Panzer, die mit hellen Punkten gesprenkelten Beine. Keine Vila. Eine Sumpfschildkröte war sie.
    Es wäre ein würdiges Ende für diesen bösen Traum. Weil sie Mstislav nicht gewarnt hatte, waren er und die anderen umgebracht worden. Weil sie

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