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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Was wünschst du dir?«
    Als hätte er sie bei einem Diebstahl ertappt, zog Alena rasch die Hände zurück. Während Embricho zusah, wagte sie es nicht, ihn zu streicheln.
    »Ich … ich wünsche mir einen Sohn«, stotterte sie und errötete.
    »Einen Sohn?«
    »Ich will fühlen, wie mein Bauch anwächst, will die kleinen Tritte darin spüren. Ich sehne mich nach dem ersten Schrei, nach der nassen Haut in meinen Armen, dem warmen, kleinen Kinderkörper, den ich an mich schmiegen kann. Ich wünsche mir einen kleinen Menschen, für den ich das Zuhause bin. Ich will, daß seine Schreie mir gelten und daß er bei mir Frieden und Zuflucht findet. Und dann will ich ihn füttern und pflegen, will miterleben, wie er nach den ersten Dingen greift, wie er die ersten Schritte macht, wie er lernt zu sprechen. Ich will ihn heranwachsen sehen. Er soll mir helfen und mich achten, und ich will ihn von ganzem Herzen lieben. Ich will ihm alles geben, was er braucht.«
    »Eine Tochter würde dich nicht glücklich machen?«
    »O doch! Ich hätte sie nicht weniger herzlich lieb. Ihr glückliches Gesich sähe ich gern, wenn sie den ersten eigenen Faden gesponnen hat. Und wenn er noch so viele Knoten und Verfilzungen enthielte, ich würde mich bei der kleinen Tochter bedanken und ihren Faden mit Freude in ein Kleid hineinarbeiten. Ich wäre gern die, die ihr einen neuen Kamm schenkt, einen mit Verzierungen und feinen Zähnen. Ich würde ihr zeigen, wie sich Frauen die Augenlider färben und das Gesicht schminken. Ich würde ihre Furcht besänftigen, wenn das erste Blut aus ihrem Körper fließt. Sie wäre mein geliebtes Kind, meine Kleine, die zur Großen heranwächst. Sie wäre mein ganzer Stolz.«
    »Du bist eine schöne Träumerin!« Der Hüne lächelte breit, nahm Alena bei den Armen und wirbelte sie in die Luft.
    Sie kreischte, nicht vor Angst, nein, vor Vergnügen, sie jauchzte. Als wollte sie Embricho bewegen, sie wieder herunterzulassen, trommelte sie ihm mit den Fäusten auf die Schultern. Aber sie lachte dabei, und er lachte auch.
    Als er sie wieder herunterließ, legte sie die Arme um seinen Hals. »Und du bist der schönste Träumer, den ich mir vorstellen kann. Dürfen mein Sohn oder meine Tochter –« Sie schluckte. Plötzlich hatte sie aller Mut verlassen. Kaum hörbar fuhr sie fort: »Dürfen mein Sohn oder meine Tochter das Blau deiner Augen in ihren Augen tragen?«
    Sanft zog der Hüne sie an sich. Sie legte ihre Wange an seine Brust und lauschte auf den dumpfen Herzschlag. Embricho streichelte ihren Kopf. »Du weißt, es geht nicht. Nähme ich dich mit nach Magdeburg – sie würden dich als Heidin beschimpfen und dir das Leben zur Hölle machen. Und Christin magst du nicht werden.«
    »Aber kannst du nicht in Rethra bleiben? Ich will alles tun, um dein Leben zu beschützen. Glaub mir, ich habe Einfluß. Du müßtest nur dieses eine Mal dem dreiköpfigen Gott opfern. Niemand zwingt dich, dabei seinen Namen zu sagen. Stört es deinen Gott so sehr, wenn du ihm ein Opfer nicht in einem Christentempel darbringst, sondern vor dem bedeutsamsten Tempel östlich der Elbe? Er könnte es als Triumph sehen! Ist es nicht das, was Tietgaud möchte? Daß euer Gott über unseren triumphiert? Opfere ihm in Rethra. Ich werde dir sagen, was du tun mußt, und du flüsterst dabei Worte, die deinen Gott besänftigen und ihm zeigen, daß du das Tier nicht für Svarožić tötest, sondern für ihn, den Christengott.«
    »Du willst mir helfen, deinen Gott zu betrügen?«
    Alena schwieg. In der Ferne heulte ein Wolf.
    Was würde Svarožić tun, wenn sie dem Hünen auf diese Art das Leben rettete? Würde er es nicht als Frevel betrachten und ihrer beider Leben zerstören? Sie würde sich neben Embricho knien und gleichzeitig Svarožić um Gnade bitten. Und konnte es denn nicht sein, daß Embricho so sehr vom Anblick Rethras überwältigt war, daß er Svarožić als den Lichtbringer erkannte? Sie tat doch etwas Gutes, wenn sie ihn dorthin führte! Sie gab ihm die Gelegenheit, am eindrucksvollsten Ort, den es dafür gab,seine Götterwelt zu erweitern. Sicher hatte Svarožić Verständnis dafür, wenn er einstweilen seinen alten Gott behielt.
Neben
Svarožić. Sie flüsterte: »Ja, das will ich. Ich werde ihn um Gnade anflehen. Er wird uns verzeihen.«
    »Alena, denkst du wirklich, wir könnten dem Zorn Gottes entgehen? Er unterwirft Könige und Fürsten. Er läßt am Morgen die Sonne aufgehen und legt sie am Abend zur Ruhe. Er haucht dem Menschen

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