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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Der Geruch von Pilzen und Fäule wirbelte mit dem Holzstaub in die Luft.
    Embricho kletterte schweigend. Von Zeit zu Zeit fuhr seine Zunge über die schmalen, geraden Lippen.
    »Worüber denkst du nach?« fragte sie.
    »Wie wohl das Pferd aussieht in Rethra, das von den Menschen als Orakel verehrt wird.«
    »Es ist weiß. Ein Schimmel mit dunklen Hufen und weißer Mähne. Auf der Brust und an den Beinen schlingen sich Adern ineinander über den Muskeln. Die Nüstern sind dunkel, aber sie tragen eine hautfarbene Zeichnung. Der Fleck gibt dem Tier ein kluges Aussehen, ich kann nicht sagen, warum. Ein wunderschönes Pferd. Es ist Svarožićs würdig.«
    »Ihr füttert es doch und striegelt es wie ein gewöhnliches Tier?«
    »Nicht wie ein gewöhnliches Tier. Mit viel mehr Sorgfalt. Svarožićs Weiße bekommt den besten Hafer, den das Land hergibt, ihre Mähne wird gekämmt, daß der Wind die feinen Haare danach mit Leichtigkeit aufnehmen kann. Nie findet sich ein Fleck Schlamm oder Kot auf ihrem Fell, so oft wird sie gestriegelt und geputzt.«
    »Kann ich mir vorstellen.«
    »Warum fragst du danach?«
    »Ich habe als Stalljunge begonnen im Kastell, auch wenn Kastellan Haldemar mich schon nebenher im Schwertkampf unterwiesen hat. Ich verdanke ihm viel. Aus der Stalljungenzeit habe ich mir ein waches Auge für Pferde bewahrt. Ich sehe ihre Launen an der Art, wie sie mit den Ohren spielen, weiß, wann sie beißen wollen oder ob sie sich vor einem Reh oder einem Hund oder einem Gewitter fürchten. Mitunter kann ich es riechen, ob es einem Pferd gutgeht oder nicht. Ich mag Pferde.«
    Versuchte er zu plaudern? Alena sah deutlich, daß Embrichos helle Brauen zu dicken Stricken zusammengezogen waren. »Du willst doch etwas anderes fragen.«
    »Nun ja, ich … ich will mich nicht in Dinge mischen, die mich nichts angehen.«
    »Frage nur. Wenn ich nicht antworten möchte, werde ich es dir sagen.«
    »Das Orakel sagt die Zukunft voraus, richtig?«
    »Ja. Und es sagt uns den Willen Svarožićs.«
    »Wie kann ein Pferd die Zukunft wissen oder den Willen Gottes? – Nein, warte, ich will nicht, daß du antwortest. Es ist besser, du sagst nichts. Nehmen wir an, es weiß die Antworten. Wie sagt es sie euch? Spricht es?« Sein Gesicht ernst, ohne Hohn.
    Alena blieb stehen. »Du denkst, die Stute beherrscht bloß einen Trick, nicht wahr? Einen Trick, den der Hochpriester ihr beigebracht hat.«
    »Nein, ich … ich weiß es nicht.« Die Schritte des Hünen wurden kleiner. Er hielt den Kopf tief gesenkt, und von Zeit zu Zeit rieb er sich den Hals. Nach einer ganzen Weile sprach er wieder. Rauh war seine Stimme, eine Säge in trockenem Holz. »Die Machthaber in Rethra werden niemals zulassen, daß ein fränkischer Mönch diese Dinge in Zweifel zieht. Wir laufen in den sicheren Tod, nicht wahr?«
    Ein Kitzeln in Alenas Fingerspitzen. Ein kalter Hauch, der sich auf ihre Stirn legte. Wieder ahnte er es, wieder flüsterten die Geister mit ihm. Wie hatte sie losziehen können, ein Menschenopfer zu fangen, und dabei vergessen können, daß es ein Mensch sein würde, der sein Leben gern behalten wollte und jedes Recht der Welt dazu hatte?
    »Ich weiß, daß ich Tietgaud nicht umstimmen kann. Und verlassen darf ich ihn erst recht nicht. Den Geistlichen den wilden Heiden überlassen? Man würde in Magdeburg kurzen Prozeß mit mir machen. Es ist also entschieden. Wir wandern in die dunkle Nacht.«
    »Hör zu, es gibt noch Möglichkeiten!« Als wollte sie ihn aus seiner Verzweiflung herauszerren, legte sie die Hand in seine Armbeuge und zog ihn weiter. »Wenn wir Tietgaud davon überzeugen, daß er zunächst einmal ein Opfer darbringt vor dem Tempel, dann seid ihr Gäste in Rethra undkönnt das Gespräch suchen mit dem Hochpriester. Der Mönch darf nur nicht gleich auf Streit aus sein.«
    »Tietgaud wird niemals vor einem heidnischen Götterbild opfern. Das ist ausgeschlossen.«
    »Dann ist er verloren. Aber du! Opfere du. Ich werde für dich gute Worte bei meinem Vater einlegen.« Natürlich würde Vater den Hünen gern töten wollen – er war ein stattliches Opfer. Aber sie würde versuchen, ihn umzustimmen. Starb Tietgaud, war es seine eigene Entscheidung, wenn er vom Kampf gegen Rethra nicht abzubringen war. Embricho mußte sie retten!
    »Achtest du deinen Gott, diesen Swaroschitch?«
    »Ja.«
    »Genauso achte ich den meinen. Er hat es verboten, fremde Götter anzubeten.«
    »Wie kann er das verbieten? Die anderen Götter würden ihn stürzen,

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