Die Principessa
Frauen sie beim Beten im Garten beobachten«, erklärte er gerade. Als ihre Blicke sich trafen, verhärtete sich seine Miene. »Was wünschen Sie?«, fragte er schroff. »Hier werden keine Marmorporträts gemeißelt.«
Clarissa verstand die Anspielung sofort. »Sie waren in Santa Maria della Vittoria?«, fragte sie.
Statt ihr zu antworten, musterte er sie mit einem stummen, abweisenden Blick.
»Wenn Sie glauben, ich würde bestreiten, was Sie gesehen haben, irren Sie, Signor Borromini. Aber ich bin nicht gekommen, um über die Theresa mit Ihnen zu sprechen.«
»Sondern? Ich wäre Ihnen für eine kurze Auskunft dankbar. Meine Zeit ist knapp.«
Während der Maurer sich zurückzog, überlegte Clarissa, wie sie das Gespräch eröffnen solle. Ihm drohen durfte sie auf keinen Fall, weder mit der Verärgerung des Papstes noch mit den möglichen Folgen seiner Arbeitsverweigerung. Damit würde sie höchstens das Gegenteil dessen erreichen, was sie bewirken wollte – sie kannte seinen Stolz. Also beschloss sie, ganz direkt und ohne Umschweife vorzugehen.
»Sie dürfen nicht gefährden, was Sie sich in so vielen Jahren erarbeitet haben.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Bitte drücken Sie sich klarer aus!«
»Ich rede von Ihrem Entschluss, die Arbeit in San Giovanni aufzugeben. Nehmen Sie sie wieder auf, bitte! Der Papst hat Ihnen seine Kirche anvertraut, er hält große Stücke auf Sie, und ich glaube, er schätzt Sie nicht nur, sondern er mag Sie auch. Wenn Sie ihn sich jetzt aber nach allem, was geschehen ist, zum Feind machen …«
»Ich danke Ihnen für Ihren Rat. Aber Sie bemühen sich umsonst. Ich bin selber Herr meiner Entscheidungen und ich bitte Sie, das zu respektieren.«
Clarissa schaute ihn an. War das ihr Freund? Sie musste sich beherrschen, um nicht auf seinen Ton einzugehen.
»Ich kann mir vorstellen«, sagte sie sanft, »was es für Sie heißt, dass man Ihnen den Auftrag für den Brunnen genommen hat. Aber – Sie dürfen nicht aufgeben. Ich habe Ihren Entwurf gesehen, all die herrlichen Ideen, die Sie bereits ersonnen haben. Ich werde mit Donna Olimpia sprechen und mich auch beim Heiligen Vater für Sie verwenden, damit er seine Entscheidung noch einmal überdenkt. Ich bin sicher, wenn Sie Ihren Entwurf nachreichen, haben Sie gute Aussichten, Papst Innozenz umzustimmen. Doch niemand kann etwas für Sie ausrichten, wenn Sie nicht wieder die Arbeit im Lateran aufnehmen.«
Sie schien gegen eine Wand zu sprechen. Die Arme vor der Brust verschränkt, schaute er über sie hinweg, als halte er durch das Fenster nach einer Person draußen auf der Straße Ausschau, während er mit der Fußspitze ungeduldig auf den Boden klopfte. »Sie haben einen Menschen umgebracht, Signor Borromini«, flüsterte sie. »Wollen Sie jetzt auch noch Ihr eigenes Leben zerstören? Warum nur? Warum?«
Endlich erwiderte er ihren Blick. Er ließ die Arme sinken. Und während sie sah, dass Tränen in seinen Augen standen, sagte er mit einem Gesicht, aus dem ein solcher Schmerz sprach, dass Clarissa meinte, ihn selber zu spüren: »Ein Pfeil drang hin und wider in mein Herz. Unendlich war die Süße dieses Schmerzes, und die Liebe erfüllte mich ganz und gar …«
Kaum hatte er die Worte gesprochen, wandte er sich ab und ließ sie stehen. Ohne den Versuch zu machen, ihn zurückzuhalten, schaute sie ihm nach, wie er durch eine Tür verschwand. Ja, sie trug mit an der Schuld, die er auf sich geladen hatte, und wenn Gott ihn dafür verdammte, hatte auch sie Teil an dieser Verdammnis.
Jetzt gab es nur noch einen Menschen, der ihr helfen konnte.
11
»Sein Leben steht auf dem Spiel!«
»Sein Leben und sein Seelenheil.« Virgilio Spada nickte. »Und wir sollten alles daransetzen, wenigstens eines von beiden zu retten. Am besten sein Leben, dann können wir uns um sein Seelenheil immer noch kümmern.«
»Reden Sie mit ihm, Ehrwürdiger Vater! Er muss begreifen, welche Gefahr ihm droht. Auf mich will er nicht hören.« Der Monsignore hatte Clarissa an seinem Lieblingsort empfangen, bei der trügerischen Kriegerfigur in dem kleinen Garten am Ende der Säulenkolonnade, die Borromini in dem Familienpalast der Spada angelegt hatte.
Während er Clarissa mit einer Geste aufforderte, auf der Bank neben ihm Platz zu nehmen, erwiderte er mit einem Seufzer: »Und Sie glauben, ich vermag mehr bei ihm auszurichten als Sie? Nein. Leider fürchte ich, die drohende Gefahr wird Signor Borromini nur wenig beeindrucken, gleichgültig, wer ihn
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