Die Principessa
dass Ihre Leute wieder arbeiten! Wenn nicht, Signor Borromini, sind Sie die längste Zeit mein Architekt gewesen!«
Nach dem Anfall war Francesco so erschöpft, dass er die Baustelle verließ, obwohl es noch nicht Mittag war. Bernardo hatte ihn gedrängt, endlich einen Arzt aufzusuchen, doch er wusste besser, was er in solchen Fällen zu tun hatte. Er würde nach Hause gehen, um an seinem Zeichentisch zu arbeiten – das war für ihn die beste Medizin.
Schon beim Gedanken an seine Entwürfe spürte er, wie die Anspannung von ihm abfiel. Er hatte die Piazza als Zentrum des Forum Pamphili so deutlich vor Augen wie einst den Saturn im Fernrohr der Principessa: ein so großartiger Einfall, dass selbst Bernini vor Neid erblassen würde, wenn die Anlage einmal vollendet war. Niemand anders war zu einem solchen Werk imStande – die Wirkung beruhte auf exaktem mathematischem Kalkül, zur Geltung aber würde sie erst durch künstlerische Imaginationskraft gelangen. Francesco dankte Gott, dass er beide Fähigkeiten in sich vereinte.
Am Campo dei Fiori blieb er stehen. Sollte er den Platz überqueren? Trotz der Pest fand dort wie an jedem Wochentag der Blumenmarkt statt, doch nur wenige Stände und noch weniger Menschen verloren sich auf der weiten Fläche, über der eine gespenstische Ruhe hing. Francesco entschied sich, den Campo zu meiden, und wich in eine kleine Seitengasse aus. Zu groß schien ihm die Gefahr, der Principessa zu begegnen. Die Augen auf seine Stiefelspitzen gerichtet, setzte er seinen Weg fort. Es hieß, die Principessa und Bernini seien ein Herz und eine Seele. Francesco hatte auch ihre zweite Einladung ausgeschlagen – mit jeder weiteren würde er genauso verfahren. Diese Frau war die größte Enttäuschung seines Lebens.
Als er sein kleines Haus im Vicolo dell’Agnello betrat, wartete dort Virgilio Spada auf ihn.
»Monsignore! Was führt Sie zu mir? Hat Don Camillo sich über mich beschwert?«
»Wenn es nur das wäre!«, erwiderte Spada und erhob sich von seinem Platz. An der Wand hinter ihm blinkte das Schwert, mit dem der verstorbene Papst Francesco in den Ritterstand erhoben hatte. »Nein, mein Freund, leider habe ich schlimmere Nachricht für Sie – viel schlimmere Nachricht.«
13
Die Römer wollten nicht sehen, was sie ahnten, noch wissen, was sie fürchteten. Zu sehr litten sie unter der Hungersnot, die auch dieses Jahr die Stadt heimgesucht hatte, als dass sie die andere, unsichtbare, nicht zu greifende Gefahr wahrhaben konnten.Während sie Brot aus Eicheln backten, Suppe aus Brennnesseln und Wurzeln kochten und sich um das Fleisch auf der Straße verendeter Pferde schlugen, wurde, wer immer auf den Plätzen, in den Läden und Häusern die Seuche erwähnte, mit ungläubigem Spott oder wütender Verachtung bestraft, und die Räder der Pestkarren, die hier und da bereits durch die Gassen rollten, um ihre traurige Fracht aufzunehmen, waren mit Leder überzogen, damit ihr Rattern das Volk nicht erschreckte.
»Halt! Im Namen des Senats!«
Zwei Sbirren versperrten Francesco mit gekreuzten Hellebarden den Weg, als er den Palazzo am Campo dei Fiori betreten wollte.
»Ich möchte Lady McKinney sprechen.«
»Unmöglich! Niemand darf das Haus betreten.«
»Ich bin Cavaliere Borromini, der Lateranbaumeister.«
»Und wenn Sie Papst Alexander wären! Haben Sie keine Augen im Kopf?«
Der Soldat wies mit dem Kinn auf einen schwarz vermummten Büttel, der gerade mit Kalk ein großes Kreuz auf das Portal malte, vor dem sich stinkende Abfälle häuften.
»Gott erbarme dich unser!« Francesco zog seine Geldkatze hervor und drückte jedem der Sbirren eine Silbermünze in die Hand.
»Ach so, Sie haben einen Passierschein!«, sagte der Wortführer der beiden und gab ihm den Weg frei. »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«
Francesco durchquerte einen Arkadenhof, wo ein Dutzend Ratten davon huschte, und betrat das Gebäude. Das Tor war nur angelehnt. Totenstille empfing ihn in der großen, ganz in Gold und Blau gehaltenen Halle.
»Heda, ist hier jemand?«
Kein Mensch antwortete ihm, nur seine eigenen Schritte hallten von dem hohen, wappengeschmückten Tonnengewölbe wider. An den Empfangssaal schloss sich eine Bibliothek an, deren Wände vollkommen von Büchern bedeckt waren, dann folgte einStudierzimmer mit einem Puttenkamin und einer Decke aus kostbarer Einlegearbeit. Doch auch dieser Raum war leer.
Plötzlich hielt Francesco inne. Was war das? Von irgendwoher war ein leises Winseln und
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