Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
Vom Netzwerk:
doch Pietro hielt seinem Blick stand.
    »Nein, mein Sohn, so gern ich auch wollte.« Der Alte schüttelte den Kopf und hob ohnmächtig die Arme. »Diesmal kann ich dir nicht helfen. Wirklich nicht.«
    Lorenzo hörte die Worte, doch brauchte er ein paar Sekunden, bis er sie begriff. Mit einem Ruck wandte er sich ab und verließ die Baustelle.
    Wie konnte sein Vater ihn nur so enttäuschen! Er war so wütend, dass er kaum denken konnte, als er auf sein Pferd stieg, um zum Petersdom zu reiten. Ohne Rücksicht auf das Treiben zwischen den Buden der Krämer, die auf der Tiberbrücke ihren Markt abhielten, jagte er zur anderen Flussseite hinüber und ritt einen Scherenschleifer mit seinem Karren über den Haufen, als er seinem Wallach die Sporen gab.
    Er verfluchte den Vertrag, den der Papst ihm vorgelegt hatte. Welcher Teufel hatte sich die Bedingungen ausgedacht? Als Lohn winkten ihm 250 Scudi – im Monat! Damit wäre er von heute auf morgen ein reicher Mann. Doch der Vertrag schrieb auch vor, bis wann sämtliche Arbeiten abzuschließen waren, auf Jahr und Tag. Alle Kosten, die durch Überschreitung dieser Frist entstehen würden, musste er, der Baumeister, selber tragen. Sollte dieser Fall eintreten, wäre er ruiniert bis an sein Lebensende.
    Vor dem Portal von Sankt Peter parierte er sein Pferd, sprang aus dem Sattel und drückte die Zügel einem Arbeiter in die Hand. Mit hallenden Stiefelschritten marschierte er durch das Mittelschiff zum Hochaltar, wischte dort mit einer Handbewegung seinen Arbeitstisch leer, um seine Pläne zu entrollen und sich in sie zu versenken.
    Kaum sah er die Zeichnungen vor sich, fiel alle Wut und Unruhe von ihm ab wie von einem Gläubigen, welcher sich, dem Lärm der Welt entflohen, vor einem Altar ganz von Gottes Gegenwart umfangen und geborgen fühlt. Plötzlich war er nur noch Wahrnehmung und spürende Inspiration, mit allen Sinnen, mit allen Poren ausgerichtet auf die Linien und Schraffuren vor seinen Augen, die demnächst in Bronze und Marmor ewige Gestaltannehmen sollten, und alles um ihn her, was jenseits seiner Schöpfung lag, verschwand im Nebel grauer Nichtigkeit. Irgendwo in diesem Labyrinth der Konstruktionen, das er selbst erschaffen hatte, musste die Lösung seines Problems verborgen sein. Doch wo?
    Jemand räusperte sich hinter seinem Rücken.
    »Stör mich jetzt nicht!«, sagte Lorenzo, ohne aufzuschauen. »Ich bin verliebt.«
    Sogleich war er wieder in seine Gedanken eingetaucht. Doch nach einer Weile spürte er, dass dieser Jemand immer noch hinter ihm stand.
    »Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Ich arbeite!«
    Als er sich umdrehte, stutzte er. Das war doch dieser Castelli, Madernos
assistente
! Was glotzte der ihm denn da über die Schulter? Wollte er spionieren? Unwillkürlich bedeckte Lorenzo das Blatt mit seiner Hand.
    »Ich glaube«, sagte Castelli und räusperte sich noch einmal, »ich weiß eine Lösung.«
    »Was? Wovon redest du?«
    »Von der Statik. So, wie Sie den Entwurf bisher gezeichnet haben, können Sie ihn nicht ausführen.«
    »Dir bekommt wohl die Hitze nicht!«, rief Lorenzo, mehr irritiert als verärgert. »Was verstehst du denn von Statik, du Klugscheißer? Los, verschwinde! Maderno braucht deine Hilfe nötiger als ich.«
    Doch Castelli rührte sich nicht vom Fleck. Obwohl seine Augen vor Nervosität zuckten, ließ er sich nicht einschüchtern.
    »Die Bekrönung ist das Problem«, sagte er mit leiser, aber fester Stimme. »Wenn Sie die entfernen, würde es gehen.«
    »Du hast wirklich einen Sonnenstich!« Lorenzo lachte laut auf.
    »Die Bekrönung stellt Jesus Christus dar, den Erlöser! Als Nächstes entfernst du wohl Gottvater aus der Kirche, der Statik zuliebe.«
    »Darf ich?« Castelli rollte auf dem Tisch ein Blatt aus, so selbstsicher und entschlossen, dass Lorenzo unwillkürlich Platz machte.»Ich habe einen Aufriss gemacht. Schauen Sie!«, sagte er und zeigte mit dem Finger auf seine Zeichnung. »Der Verlust ist gar nicht so groß. Von unten wäre die Erlöserfigur sowieso kaum zu sehen. Ihr Gewicht aber überfordert nicht nur das Fundament, sondern drückt auch die Säulen so stark nach außen, dass sie unter der Last einknicken müssen.« Er blickte Lorenzo an. »Was spricht dagegen, sie durch eine kleinere, leichtere Figur zu ersetzen? Zum Beispiel durch ein Kreuz?«
    Lorenzo pfiff durch die Zähne. »Nicht übel«, murmelte er, völlig in die Zeichnung versunken, »nein, ganz und gar nicht übel – Herrgott noch mal, vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher