Die Principessa
Hand. »Kommst du mit meinem Grabmal voran?«
»Ich habe die Bildsäule noch einmal überarbeitet«, sagte Lorenzo. »Die Geste des Armes drückt jetzt sowohl königlichen Befehl als auch priesterlichen Segen aus.«
»Und der Fürst der Finsternis? Hat er schon seinen Griffel gespitzt?«
»Er hat sein großes Buch zwar aufgeschlagen, aber die Seite ist noch leer und ohne Namen.«
»Das ist gut, mein Sohn.« Urban nickte. »Er soll sich noch eine Weile gedulden. Aber jetzt lass mich allein, ich will zu meinem Herrgott beten! Gehe hin in Frieden!«
Er klopfte mit seiner welken Hand auf die Seidendecke, und während Vittorio über einen Stuhl zu ihm ins Bett kletterte, zog Lorenzo den Vorhang des Bettes zu und verließ den Raum. Als die zwei Diener hinter ihm die Türe schlossen, war ihm, als sei es plötzlich kälter geworden. Fröstelnd ging er die langen Marmorflure entlang. Er konnte es gar nicht erwarten, wieder in die warme Abendluft zu treten.
Vor dem Palast wartete ein Diener mit seinem Schimmelhengst auf ihn. Als er die Muskeln des unruhig tänzelnden Pferdes zwischen seinen Schenkeln spürte, verflogen seine trüben Gedanken.
Urban regierte schon so viele Jahre, er würde noch viele weitere Jahre regieren.
3
Monsignore Virgilio Spada war ein Mann in den besten Jahren, von kleinem Wuchs und angenehmem Wesen. Obwohl er die Kutte des strengen spanischen Filippinerordens trug, bat er seinen Herrgott nur so oft wie nötig um Beistand, um so oft wie möglich aus eigenen Stücken zu handeln. Mönch von Beruf und Bauherr aus Berufung, oblag ihm die Aufsicht sämtlicher Bauvorhaben seines Ordens. Als Propst der Kongregation des heiligen Filippo Neri kannte er jeden Architekten in der Stadt – den ehrgeizigen Pietro da Cortona ebenso wie Girolamo Rainaldi, seines Zeichens Architetto del Populo Romano, und natürlich den berühmten Gian Lorenzo Bernini. Am meisten aber schätzte er Francesco Borromini, einen ehemaligen Steinmetz, den er vor einigen Jahren entdeckt und seitdem nach Kräften gefördert hatte, damit er sich als Architekt selbstständig machen konnte, wie es seinem Eifer und mehr noch seinen Talenten entsprach.
Mit einem Schmunzeln erinnerte sich der Monsignore, während er sich auf den Weg zur Baustelle seines Ordens machte, um mit Borromini den Fortgang der Arbeiten zu besprechen. Ja, man hatte nicht schlecht gestaunt, als er im Jahre 1637 für das Oratorium der aufstrebenden Filippiner diesen noch unbekannten Architekten auswählte, hatte sich doch eine große Anzahl namhafter Künstler um die Aufgabe beworben, nachdem die Kongregation eine Konkurrenz durch öffentlichen Anschlag ausgeschrieben hatte, der in allen größeren Städten Italiens an den Straßenecken erschienen war. Doch Spada wusste, was er tat. Die Verbindung des Einfachen mit dem Erhabenen hatte das Leben des heiligen Filippo ausgezeichnet, des Ordensgründers und Volksheiligen, und diese Verbindung versprach kein Architekt so vollkommen in die Sprache der Baukunst zu übersetzen wie Borromini. Außerdem verband er planerisches Genie mit bautechnischer Sparsamkeit.
Borromini hatte sich damals in einer überaus misslichen Lage befunden. Die Konservatoren der Stadt Rom hatten ihn zum Architekten der Sapienza ernannt, des Archigymnasiums, aus dem die Universität mit theologischer, philosophischer und medizinischer Fakultät erwachsen sollte, doch trotz der Zusage, dass die Baustelle keine »Piazza morta« sei, wurde der Beginn der Arbeiten Jahr für Jahr verschoben. Borrominis einzige Auftraggeber waren zu jener Zeit die ebenso frommen wie armen Mönche des spanischen Ordens von der Erlösung der Christensklaven, für die er auf einem handtellergroßen Areal unweit der Kreuzung mit den
quattro fontane
das Kloster San Carlo samt Kirche neu aufführen sollte, ein Unternehmen, das mit so geringen Geldmitteln ausgestattet war, dass die unbeschuhten Brüder allein im Vertrauen auf Gott den Bau in Angriff nahmen.
Mit geradezu heiligem Eifer hatte Borromini sich darum an den neuen Auftrag gemacht, mit dem Spada ihn betraut hatte, und er sollte ihn nicht enttäuschen. Trotz der Mahnung, die bescheidenen Verhältnisse zu wahren, die den Vätern ziemten und die sogar die Verwendung von Marmor weitgehend verboten, verblüffte er seinen Auftraggeber immer wieder mit neuen Einfällen. Für jedes Detail zeichnete er zahllose Entwürfe und formte Modelle aus Wachs. Dabei ähnelte die Fassade des Oratoriums den Formen eines menschlichen
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