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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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erläuterte er nun ruhig und konzentriert seine Entwürfe, während seine Augen leuchteten wie die eines Verliebten. Was für ein eigenartiger Mann er doch war! Spada wunderte sich einmal mehr über ihn.
    Ob sein Eifer eine andere, von Gott gewollte Form der Besessenheit war und das Leuchten in seinen Augen ein Widerschein des unsterblichen Funkens, den der Heilige Geist in diesem Mann entfacht hatte? Was für wunderbare Ideen er hervorbrachte! In die Fensternischen auf der Galerie hatte er Sitze und Tische eingezeichnet, sodass die Schüler sich dort oben, Gott nah und allem Lärm der Welt entrückt, in ihre Studien vertiefen konnten und zugleich einen prächtigen Blick auf den Gianicolo-Hügel hatten. Wie praktisch und bedeutungsvoll zugleich! Spada nickte. Ja, wenn ein Baumeister es verstand, für neue Ideen eine Lösung zu finden, dann dieser!
    »Sie wissen, wie sehr ich Sie schätze«, sagte Spada, »nicht nur als Auftraggeber, auch als Ihr Freund. Aber«, fügte er ernst hinzu, »wie können Sie sich so hinreißen lassen? Haben Sie vergessen, dass der Zorn zu den Todsünden gehört, die Gott mit ewiger Verdammnis bestraft?«
    Borromini erwiderte finster seinen Blick. »Finden meine Pläne Ihre Zustimmung?«, sagte er, ohne auf die Frage einzugehen.
    »Zustimmung? Ich bin begeistert! Doch lassen Sie mich noch eines sagen«, fuhr Spada fort. »Wenn Sie nicht um Ihre Seele fürchten, bedenken Sie die irdische Gerechtigkeit! Ich will nicht erleben, dass man Sie eines Tages einsperrt.«
    »Darf ich meine Pläne wiederhaben?«, fragte Borromini und griff nach seinem Entwurf.
    Spada legte die Hand auf seinen Arm. »Was ist mit Ihnen, Signor? Haben Sie Sorgen? Wer Furcht verbreitet, trägt Furcht in sich.«
    Borrominis Gesicht verdunkelte sich noch mehr, und eine scharfe Falte zeichnete sich auf seiner Stirn ab. Plötzlich sah er so gequält aus wie einer seiner Cherubine.
    »Ich bitte um Vergebung, Ehrwürdiger Vater«, sagte er leise, »aber ich habe seit Tagen nicht geschlafen.«
    »Wegen der Arbeit?«, fragte Spada. »Oder gibt es dafür andere Gründe?«
    Er forschte aufmerksam in seinem Gesicht. Doch Borromini gab keine Antwort. Stumm rollte er seine Zeichnungen zusammen.
    »Wenn Sie erlauben, Monsignore«, sagte er dann, »will ich nun dafür sorgen, dass man die Baluster so mauert, wie es unseren Zwecken dient.« Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ er seinen Auftraggeber stehen und stieg zur Kardinalsloge hinauf.
    Den Kopf voller Fragen, machte Virgilio Spada sich auf den Heimweg. Obwohl er wusste, wie unnachgiebig sein Baumeister war, wenn es um die Arbeit ging, wie jähzornig und wütend er werden konnte, wenn man seine Anweisungen nicht befolgte, spürte er doch, dass die Widerspenstigkeit der Maurer nur die halbe Wahrheit war. Hinter dem Tobsuchtsanfall, der einem Mann fast das Leben gekostet hätte, steckte noch etwas anderes, und als erfahrener Beichtvater, der in Gottes Namen zahllose Sünden gehört und vergeben hatte, kannte Virgilio Spada die Herzen der Menschen gut genug, um zu ahnen, was es wohl sein mochte.
    »Nulla fere causa est, in qua non femina litem moverit«,
memorierte er eine Passage aus Juvenals »Satiren«, die er nicht weniger schätzte als die Schriften der Kirchenväter. »Es ist kein Streit unter der Sonne, den nicht ein Weib verursacht hätte.«
    Ja, die Fleischesgier war, und mochte der heilige Thomas von Aquin auch anderes behaupten, die größte Gefährdung der Seele und die schlimmste aller Todsünden – schlimmer noch als Hoffart und Neid, Habsucht und Maßlosigkeit, Zorn und Trägheit des Herzens –, folgten aus ihr doch die übrigen Sünden mit derselben Gewissheit wie Kopfschmerz und Übelkeit aus dem übermäßigen Genuss von Wein, um den Menschen das Leben auf Erden zu verdrießen und ihren Platz im Himmelreich zu gefährden.

4
    »Dreizehn Meilen sind die Stadtmauern lang«, verkündete Giulio, »und über einhundertzwanzigtausend Einwohner leben in Rom …«
    Clarissa hatte fast vergessen, wie unermesslich groß diese Stadt war. Wer sich hier verstecken wollte, konnte in dem Labyrinth von Gassen und Straßen spurlos verschwinden. Seit den frühen Morgenstunden fuhr sie in der offenen Equipage durch Rom, rast- und ruhelos trotz der brütenden Hitze. Sie hatte Giulio, einen
Sightsman
von kaum zwanzig Jahren, der sein Brot damit verdiente, Fremden für ein paar Kupfermünzen die Stadt zu zeigen, angewiesen, sie zu allen Bauwerken zu führen, die in den Jahren seit ihrer

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