Die Prinzen Von Irland
verrückten Scherz erlaubte? Oder war es eine junge Frau, die es
schmerzte, dass sie verstoßen wurde, und die nun versuchte, ihn zu schockieren
und zu demütigen? Vielleicht beides. Und war er schockiert? Ja. Nicht von dem
Anblick ihrer Blöße, sondern von ihrer Grobheit. Er schüttelte den Kopf. Das
hätte sie nicht tun dürfen.
Erst als er weiter
den Weg entlangrannte, wurde ihm bewusst, dass es noch eine andere, tiefer
greifende Erklärung gab. Die Versuchungen des Fleisches. Wieder einmal der
Teufel mit seinen Fallstricken. Der Abt hatte ihn gewarnt. Das war es, was sich
in Wirklichkeit hinter dieser Begegnung verbarg. War er der Versuchung erlegen?
Ganz gewiss nicht. Und doch tauchte, während er weiterging, zu seinem Entsetzen
die Vision von Caoilinns nacktem Körper immer wieder vor seinem geistigen Auge
auf. Er wusste kaum, ob er von Lust oder Angst gepeinigt wurde, er versuchte
die Vision zu verscheuchen, aber bei jedem Versuch kehrte sie nur umso
eindrücklicher zurück, ja noch schlimmer, nach einer Weile sah er, wie sie
begann, unzüchtige Dinge zu tun – Dinge, von denen sie, so glaubte er, nicht
einmal etwas wusste –, und je mehr er sich bemühte, sie aus seinem Geist zu
verbannen, desto sündhafter wurden sie. Er versuchte zu der schlichten, reinen
Nacktheit zurückzufinden, mit der alles begonnen hatte; doch vergebens. Je mehr
er dagegen ankämpfte, desto brünstiger trieb sie es, wie er nun halb
fasziniert, halb abgestoßen beobachtete.
Nein, das war nicht
Caoilinn. Sie hatte all diese Dinge nicht getan. Nicht sie, sondern er war es,
der sie sich in seiner Einbildung ausmalte; nicht sie, sondern er befand sich
in den Fängen des Teufels. Ein glühendes Schuldgefühl ergoss sich über ihn,
dann kalte Panik. Er blieb stehen.
Der Teufel hatte auf
seinem Weg nach Glendalough einen Anschlag auf ihn vorbereitet. Wie sollte er
ihm begegnen? Ein kurzes Stück vor sich bemerkte er eine Böschung, die mit
Büschen bewachsen war, und unterhalb davon einen dunkelgrünen Flecken. Als er
auf ihn zueilte, sah er, dass es genau das war, was er vermutet hatte – diese
dunkelgrüne Vegetation war von Gott hierher gepflanzt worden, der in seiner
Weisheit und Güte alles vorausgesehen hatte: Brennnesseln.
Denn was hatte Sankt
Kevin von Glendalough getan, als ein Weib ihn in Versuchung führte? Das Mädchen
fortgejagt und sein Fleisch kasteit. Und zwar mit Brennnesseln. Das musste ein
Zeichen sein.
Osgar blickte sich
um. Kein Mensch war zu sehen. Und so entledigte er sich rasch seiner Kleider,
warf sich in die Brennnesseln und wälzte sich ausgiebig, immer wieder, hin und
her, so sehr er sich auch krümmte vor Schmerz.
*
* *
Die
Hochzeit von Harold und Astrid fand in jenem Winter statt. Sie war aus mehreren
Gründen ein glücklicher Moment.
Der erste und
allerwichtigste war, dass das junge Paar sichtlich gut zueinander passte. Und
der zweite Grund war, dass sie unverkennbar ineinander verliebt waren.
Schon an dem Abend,
als sie sich zum ersten Mal begegneten, war ein Funke zwischen ihnen
übergesprungen. Aber Astrid hatte sofort erkannt, dass es Zeit und Mühe kosten
würde, Harolds inneren Widerstand, seine Hemmungen zu überwinden. Daher war sie
mit aller Geduld zu Wege gegangen. Sie hatte gefragt, ob sie das Schiff
besichtigen durfte, und als er sie überall herumgeführt hatte, wollte sie auch,
dass er ihr zeigte, was seine eigene Arbeit daran gewesen war, und hatte danach
begeistert gemeint: »Du verstehst dein Handwerk gut, nicht wahr?« Eine Woche
später hatte sich Astrid mit ihm getroffen, ihm ein paar in ein Tuch
eingewickelte Bonbons überreicht und hoffnungsvoll dazu gesagt: »Ich glaube, es
sind genau die, die du magst.« Und als er leicht überrascht geantwortet hatte,
dass sie tatsächlich seine Lieblingsbonbons waren, hatte sie erklärt: »Das hast
du mir nämlich an dem Abend bei Morann gesagt.« Er dagegen hatte es längst
vergessen. »Ich fand einfach, du hast wieder mal welche verdient«, fügte sie
hinzu und hatte dabei zärtlich seinen Arm berührt.
Astrid wartete noch
drei weitere Wochen, bevor sie ihn eines Tages, als sie einen Ausflug machten,
plötzlich ansah und wie nebenbei fragte: »Hast du Schmerzen in deinem Fuß?«
»Nein, eigentlich
nicht«, hatte er geantwortet und mit den Schultern gezuckt. »Ich wünschte, er
wäre gerade, aber er ist nun mal krumm«, hatte er gesagt und war verstummt.
»Mich stört das
überhaupt nicht«, antwortete sie frei heraus. »Um die Wahrheit
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