Die Prinzen Von Irland
wäre,
und fragte ihn:
»Verspürst du jemals
fleischliche Gelüste, Osgar?«
Er war so überrascht,
dass er zunächst nicht wusste, was er sagen sollte.
»Der Teufel führt uns
alle in Versuchung, Caoilinn«, antwortete er leicht verlegen; dann küsste er
sie zum letzten Mal keusch auf die Wange und entfernte sich.
Eine weitere Woche
verstrich, bevor Osgar wieder nach Glendalough aufbrach. Sein Onkel war nicht
gerade begeistert, meinte aber, dass er in absehbarer Zeit wohl wieder aus dem
Kloster in den Bergen zurückkehren werde, um den ihm gebührenden Platz
einzunehmen und dem Gesetz der Familie Folge zu leisten. Caoilinns Vater ließ
es sich nicht nehmen, zu ihnen herauszukommen, machte gute Miene zum bösen
Spiel, wünschte ihm Glück und erklärte sogar, dass er zur Stelle sein würde, um
sich von ihm zu verabschieden, wenn er aufbrach; und Osgar war gerührt von
dieser großzügigen Freundlichkeit. Caoilinn bekam er nicht mehr zu Gesicht,
aber da sie sich bereits voneinander verabschiedet hatten, schien dies auch
nicht notwendig zu sein.
An dem Morgen, als er
aufbrach, entschloss er sich, der unteren Route zu folgen, anstatt den Weg
durch die Berge zu nehmen. Und so machte er sich auf den Weg, mit einem Ranzen
voll Proviant auf dem Rücken, mit einem Brief seines Onkels an den Abt, worin
dem Kloster für seine Aufnahme eine hübsche Summe Geld versprochen wurde, sowie
mit dem Segen von Freunden und Nachbarn versehen. Er stapfte querfeldein durch
die Felder von Dyflin in südlicher Richtung. Sein Onkel hatte ihm ein Pferd
angeboten, das ihn nach Glendalough bringen sollte und zu gegebener Zeit wieder
zurückgesandt werden könnte, aber Osgar hatte es für angemessener gehalten, zu
Fuß zu gehen.
Wieder war es ein
herrlich sonniger Tag. In der klaren Morgenluft wirkte das gewaltige Halbrund
der Wicklow–Berge im Süden zum Greifen nahe. Osgar wanderte mit fröhlich
schwingenden Schritten an der Küste entlang auf die ersten Vorberge zu. Der
sumpfige Boden zu seiner Linken wich bald schütterem Waldland. Er kam an einem
Obstgarten vorüber und näherte sich gerade einer Furt über einen Fluss namens
Dodder, als er zu seiner großen Überraschung Caoilinn am Wegesrand stehen sah.
Sie lehnte an einem Baum und hatte sich in einen langen Mantel gewickelt. Wenn
sie fror, dachte er, dann muss sie bereits eine ganze Weile dort gewartet
haben. Sie lächelte.
»Ich bin gekommen, um
mich zu verabschieden«, sagte sie. »Ich dachte mir, du willst mich vielleicht
noch einmal sehen, bevor du gehst.«
»Deinen Vater habe
ich noch getroffen.«
»Ich weiß.«
»Das ist wirklich
nett von dir, Caoilinn«, sagte er.
»Du hast Recht«,
entgegnete sie, »das ist es.«
»Stehst du schon
lange hier?«, fragte er. »Du musst doch frieren.«
»Ja, eine ganze
Weile.« Sie blickte ihn nachdenklich an, so als habe sie irgendetwas mit ihm
vor. »Hast du noch den Ring?«
»Natürlich habe ich
ihn noch.«
Sie schien erfreut zu
sein und nickte.
»Und du bist nun auf
dem Weg, dich als Mönch in die Berge zurückzuziehen?«
»Ja, das bin ich.«
»Und dich haben
wirklich niemals fleischliche Gelüste in Versuchung geführt, Osgar?«
»Nein. Zumindest
nicht in letzter Zeit«, erwiderte er freundlich.
»Das ist gut. Denn du
musst sie besiegen, verstehst du.«
Er überlegte gerade,
was er sagen sollte, als sie zu seiner Verblüffung ihren Mantel aufschlug und
ihr nackter Körper zum Vorschein kam.
Ihre Haut war
rahmfarben blass, ihre Brüste waren jung und fest und etwas größer, als er
angenommen hatte, die Brustwarzen umgeben von reichem Dunkel, so dass er
unwillkürlich aufstöhnte. Sie war gänzlich nackt, und Osgar wusste nicht, wohin
er blicken sollte. Und so starrte er auf ihren Schoß, auf ihre Schenkel, auf
alles.
»Wirst du dich nun an
mich erinnern, Osgar?«, fragte sie und schloss den Mantel.
Mit einem Aufschrei
rannte er an ihr vorbei. Einen Augenblick später stürmte er spritzend durch die
Furt. Am anderen Ufer blickte er sich um, hatte fast Angst, sie könnte ihm
folgen. Aber nichts war von ihr zu sehen. Er bekreuzigte sich. Großer Gott,
warum hatte sie das nur getan?
Als er weiterging,
bemerkte er, dass er zitterte, als hätte er ein Gespenst gesehen; er konnte
kaum glauben, dass das, was er erlebt hatte, tatsächlich geschehen war. Oder
hatte er sich das alles nur eingebildet? Nein, sie war durchaus real gewesen.
Was war nur in sie gefahren? War dies das Kind Caoilinn, das sich einen letzten
wilden und
Weitere Kostenlose Bücher