Die Prinzen Von Irland
Vater
wollte, dass die Kinder und ich nach Dyflin kommen.« Nun bemerkte er einen
Hauch von Unsicherheit in ihren Augen. »In Dyflin«, sagte sie, »sind wir sicher
genug, denke ich. Wie ich sehe, seid Ihr auch noch hier.«
»Ja, das bin ich«, sagte
er, »noch bin ich da.«
In jener Nacht belud
Morann seinen Wagen. Schon früh am Morgen rumpelte er, zusammen mit seiner
Familie, bepackt mit all ihrem Hab und Gut, auf der langen Holzbrücke über die
Liffey und verschwand in den Nebeln des anderen Ufers. Morann hatte sich aus
dem Staub gemacht.
Sein erstes Ziel war
nicht weit entfernt. Jenseits der Ebene der Vogelscharen befand sich Harolds
Hof.
Obwohl er keinen
Grund hatte, daran zu zweifeln, dass sein Freund glücklich verheiratet war,
konnte Morann nicht umhin, sich zu fragen, ob Harolds Frau Astrid es nicht
manchmal doch bereute, dass sie ihn ermutigt hatte, zur See zu fahren.
Natürlich hatte ihnen dies Wohlstand gebracht. Harold der Lahme, wie er genannt
wurde, hatte sich bereits als Seehändler einen Namen gemacht; aber manchmal
hielten ihn seine Reisen mehrere Wochen lang fern. Über ein Monat war
vergangen, seit er sich auf eine Fahrt begeben hatte, die ihn nach England und
in die Normandie führen sollte. Seit sein Vater vor drei Jahren bei einem Unfall
umgekommen war, hatten Harold und seine Frau auch den Betrieb des Bauernhofs
übernommen.
Als Harolds Frau und
Kinder an jenem Morgen aus dem Haus stürzten, um ihn zu begrüßen, überbrachte
Morann ihnen eine schonungslose Nachricht.
»Ihr müsst den Hof verlassen«,
eröffnete er ihnen, »und müsst mit uns kommen.« Und als Astrid dazu nicht
gewillt war und sagte: »Die kommen nicht zum ersten Mal her«, schüttelte er den
Kopf und drängte sie, sich sofort ans Packen zu machen. »Diesmal«, sagte er,
»wird die Sache anders ausgehen.«
*
* *
Es
war sechs Jahrhunderte her, seit Niall der Neun Geiseln die mächtige Dynastie
der O’Neills begründet hatte, und in all dieser Zeit hatte trotz des Auf und Ab
der Macht unter den keltischen Stammesführern der Insel nie jemand den O’Neills
die Hochkönigsherrschaft streitig gemacht.
Brian: Der Name, den
sein Vater erhalten hatte, war Kennedy, und so hieß er eigentlich Brian, Sohn
des Kennedy. Aber wie vor vielen Jahrhunderten Niall der Neun Geiseln war Brian
wegen des Tributs, den er landauf, landab einkassierte, so wohl bekannt, dass
man ihn Boruma, den »Viehzähler«, oder Brian Boru nannte. Durch seinen Aufstieg
hatte er ganz Irland in Staunen versetzt.
In den Tagen seines
Großvaters waren seine Leute, die Dal Cais, nur ein kleiner, unbedeutender
Stamm in Munster gewesen. Sie lebten an den Ufern des Shannon, flussaufwärts
unweit der Stelle, wo der Fluss sich zu seinem langen westlichen Mündungsgebiet
weitet. Aber als die Wikinger nicht weit entfernt in Limerick ihre Siedlung
gründeten, wollte Brians Großvater sich damit nicht abfinden. Drei Generationen
lang hatte die Familie einen Kleinkrieg gegen den Flussverkehr der Wikinger
geführt. Die Dal Cais waren berühmt geworden. Brians Großvater hatte sich
selbst zum König ernannt, Brians Mutter war eine Prinzessin aus Connacht
gewesen, und seine Schwester war sogar vom König von Tara zur Gemahlin erwählt
worden – obwohl dies der Familie nicht viel Gutes brachte, nachdem sie
hingerichtet worden war, weil sie mit dem Sohn ihres Gemahls geschlafen hatte.
Und die Dal Cais
waren ehrgeizig. Sie besaßen eine abgehärtete Streitmacht. Brians Brüder hatten
ihre Stärke bereits im Kampf gegen mehrere andere Herrscher der Gegend erprobt.
Aber niemand hätte sich vorstellen können, was sie sich als Nächstes erlaubten.
Ganz Irland stockte der Atem, als sich die Nachricht verbreitete.
»Sie haben Cashel
eingenommen.«
Cashel – seit alters
her die Hochburg der Könige von Munster. Gewiss, die Könige von Munster waren
nicht mehr das, was sie einst gewesen waren. Aber allein schon die
Dreistigkeit, dies zu wagen! Und als der König von Munster die Wikinger von
Limerick dazu brachte, sich ihm anzuschließen, um diese frechen Emporkömmlinge
zu bestrafen, schlugen die Dal Cais sie alle gemeinsam und plünderten auch noch
Limerick. Nur wenige Jahre später machte sich Brian Boru zum König von Munster.
Die Familie eines
unbedeutenden Stammesfürsten hatte eine der vier mächtigen Königsherrschaften
von Irland an sich gerissen – und dies, obwohl die keltischen Königsdynastien
bis in die Nebel der Vorzeit zurückreichten. Daher beschlossen die
Weitere Kostenlose Bücher