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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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geworden waren.
Die Arme des Kreuzes waren in einen Steinring gesetzt – eine Anordnung, die,
obwohl als typisch keltisches Kreuz bekannt, bis auf Zeiten lange vor Sankt
Patrick, nämlich bis zu den römischen Triumphkränzen, zurückging und ein ferner
Anklang an das Symbol des Sonnengottes aus noch früherer Zeit war. Aber das
wirklich bemerkenswerte Kennzeichen der Kreuze auf der Insel waren ihre
Reliefs. Die Kreuze von Keils waren für besonders kunstvolle Arbeit bekannt:
Sämtliche Teile ihrer Oberfläche, selbst die Plinthe der Sockel, auf denen sie
standen, schienen in Felder unterteilt und mit solide gemeißelten Reliefs
ausgefüllt zu sein. Ihre Motive waren Adam und Eva, Noah und seine Arche,
Szenen aus dem Leben Christi, Engel und Teufel.
    Gerade wollten sie
wieder umkehren, als sie Schwester Martha erblickten. Sie stand im Torbau.
Osgar stieß einen leisen Fluch aus.
    Die Nonne in
mittleren Jahren mit ihrem breiten Gesicht und ihren freundlichen grauen Augen
war ein gute Seele. Schwester Martha war eine Nonne aus Kildare. Die Äbtissin
ihres Klosters hatte ihr erlaubt, Keils einen Besuch abzustatten, um sich um
eine Tante zu kümmern, von der es hieß, sie liege dort im Sterben. Aber
kürzlich hatte sich der Zustand der alten Frau überraschend verbessert, und nun
drängte es Schwester Martha, so rasch wie möglich zurückzukehren. Hätte er ihr
neulich in einem schwachen Moment doch nur nicht versprochen, sie
zurückzubegleiten! Denn seit einigen Tagen fragte sie ihn behutsam, wann er
aufbrechen werde. Er vermutete, dass sie wusste, dass er am nächsten Tag mit
dem Kopieren fertig sein würde, und so ging sie natürlich davon aus, dass sie
am Tag danach aufbrechen würden. Aber er wollte noch nicht aufbrechen, sondern
noch eine Woche bei den Schätzen der Bibliothek von Keils verweilen – vor allem
natürlich bei dem berühmten Evangeliar. Eine Woche seliger, ungestörter
privater Studien. Er hatte hart gearbeitet, und dies war ein Genuss, den er
sich wohl verdient hatte.
    Als er Osgars leisen
Fluch vernahm, fragte der Kunstschmied ihn nach dem Grund; und während sie
langsam auf das Torhaus zuschritten, erklärte der Mönch ihm kurz sein Problem.
    Nachdem er der Nonne
den Goldschmied vorgestellt hatte, war er daher hoch entzückt, als dieser
sagte: »Wie ich höre, Schwester Martha, wollt ihr euch beide auf den Weg nach
Kildare machen. Ich muss euch aber warnen, dass das Land im Augenblick ein
wenig unsicher sein dürfte. Wenn ihr nur noch ein wenig wartet, könnten wir uns
alle gemeinsam auf die Reise machen, denn ich fahre in fünf Tagen ebenfalls in
diese Richtung.« Und schmunzelnd fügte er hinzu: »Drei ist eine heilige Zahl,
sie steht unter Gottes Schutz.« Dies war ein Angebot, das vernünftigerweise
niemand ausschlagen würde; und nachdem die Nonne zugestimmt hatte und sich die
beiden Männer wieder in Bewegung gesetzt hatten, fragte der Goldschmied den
Mönch: »Gibt Euch das genügend Zeit?«
    Fünf herrliche Tage
in der Bibliothek, und dann Moranns Gesellschaft auf dem Weg durch ein Terrain,
das wohl tatsächlich nicht ungefährlich sein dürfte. »Ich kann’s kaum fassen,
wie viel Glück ich habe«, antwortete Osgar strahlend.
    Morann selbst, so
erfuhr er, hatte vor, seine Familie in Keils unterzubringen und darauf nach
Dyflin zurückzukehren, wo er nachsehen wollte, wie es um die Sicherheit von
Harolds Familie stand. »Aber eigentlich hatte ich vor, auch in Kildare noch
etwas zu erledigen«, erklärte er, »und so kann ich mich genauso gut zuerst
dorthin begeben.« Osgar erinnerte sich wieder an das große Gehöft in Fingal, wo
er Harolds Vater kennen lernte, nachdem ihn vor Jahren in der Gegend jene
Straßenräuber überfallen hatten, und er war beeindruckt, wie loyal der Goldschmied
seinem Freund die Treue hielt.
    »Fürchtet Ihr Euch
nicht vor der Gefahr, in der sich Dyflin befindet?«, fragte er.
    »Ich werde schon
aufpassen«, antwortete Morann.
    »Wenn Ihr nach Dyflin
kommt«, fuhr Osgar fort, »könntet Ihr vielleicht meinen Onkel und meine Cousins
im Kloster besuchen. Ich hoffe, sie sind wohlauf. Ihr könntet sie von mir
grüßen.«
    »Das werde ich, ganz
gewiss«, antwortete Morann. »Ach, übrigens habe ich neulich, glaube ich, eine
andere Cousine von Euch getroffen. Kurz bevor ich aufbrach, kam sie gerade nach
Dyflin, weil sie sich dort während der Abwesenheit ihres Gemahls, der in den
Kampf gezogen ist, sicherer fühlt.«
    »Wirklich? Und wer
war das?«
    »Sie ist mit

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