Die Prinzen Von Irland
was für ein überraschtes und freudiges
Gesicht Caoilinn machen würde, wenn er vor ihr stand. Er stellte sich vor, wie
er sie rettete, wie er Angreifer in die Flucht schlug, wie er sie in Sicherheit
brachte. Dann schüttelte er den Kopf. Eitle Visionen, knabenhafte Träume.
Plötzlich stieß
Morann ihn in die Seite. Vor ihnen lag eine kleine Anhöhe, direkt davor ein
Gehöft. Unweit des Gehöfts waren Reiter.
»Jetzt
gibt’s Ärger«, meinte Morann finster.
»Woher
wollt Ihr das wissen?«
Morann
zog die Brauen noch mehr zusammen. »Ein marodierender Stoßtrupp.« Er warf einen
kurzen Blick auf Osgar. »Seid Ihr bereit?«
»Ja,
ich denke schon.«
* * *
Der Stoßtrupp bestand
aus drei Berittenen. Sie waren gekommen, um Vieh zu beschlagnahmen, und da sie
auf dem Hof nur wenige Tiere fanden, hatten sie natürlich beschlossen, sich
alle zu nehmen. Im Eingang des Gehöfts sah Osgar eine Frau stehen. Hinter ihr
ein Kind. Ein Mann, vermutlich ihr Ehemann, versuchte vergeblich, mit den
Plünderern zu verhandeln.
»Osgar«,
flüsterte Morann, »greift hinter Euch, da liegt eine Decke und darunter ein
Schwert. Legt Euch die Decke über die Knie und haltet das Schwert zwischen
Euren Beinen.«
Osgar
tastete nach dem Schwert und tat, wie Morann ihm geheißen.
»Gebt
mir ein Zeichen, wenn Ihr es braucht«, sagte er ruhig, während sie näher
fuhren.
Nun
begann der Bauer auf dem Gehöft zu schreien, während das Vieh aus seinem Stall
getrieben wurde. Osgar sah, wie der Bauer plötzlich losstürzte und einen der
Reiter heftig protestierend am Bein packte. Er umklammerte es wie wild und
wollte es nicht loslassen.
Es
geschah so geschwind, dass Osgar nicht einmal die Hand des Mannes zucken sah.
Aber er sah die Klinge, einen einzigen jähen Blitz in der Morgensonne. Dann
stürzte der Bauer zu Boden. Der Reiter blickte sich nicht einmal nach ihm um,
sondern ritt los und trieb die Tiere mit sich fort, während die Frau aufschrie
und mit dem Kind zu dem Gestürzten rannte.
Die
Marodeure waren bereits ein Stück weit entfernt, Osgar sprang vom Wagen. Der
arme Kerl auf dem Boden war gerade noch bei Bewusstsein und bemerkte noch, wie
Osgar ihm die Sterbesakramente gab. Ein paar Augenblicke später war er, umgeben
von der Frau und dem Kind, die weinend auf dem Boden knieten, gestorben.
Langsam erhob sich Osgar und starrte zu Boden. Er schwieg. Morann sagte etwas
zu ihm, aber er hörte es nicht. Sein Bewusstsein war vollkommen von dem Gesicht
des Toten eingenommen. Ein Mann, den er nicht kannte. Ein Mensch, der für
nichts und wieder nichts, in einer törichten Situation, auf eine törichte Art sterben
musste.
Und
dann schwebte es wieder vor ihm. Das gleiche aschfahle Gesicht. Die gleichen
starren Augen. Das Blut. Das Grauen. Es war immer das Gleiche. Die endlose
menschliche Grausamkeit und die Sinnlosigkeit des Ganzen.
Und
auch ich habe damals einen Menschen getötet, dachte er. Ob in Notwehr oder
nicht, das war in seinen Augen kein entscheidender Unterschied. Und genau wie
damals, verspürte er auch jetzt ein gewaltiges Bedürfnis, sich abzuwenden,
nicht mehr Teil zu haben an diesen abscheulichen und tragischen Dingen. Nie
wieder, hatte er sich geschworen. Nie wieder.
Da
bemerkte er, wie Morann ihn am Arm zupfte.
»Wir
müssen weiter«, drängte der Handwerker. »Hier können wir nichts mehr tun.«
Osgar
war wie benommen, als er sich wieder mit dem Schwert zwischen den Knien in dem
Wagen sitzen fand. Morann jagte die Landstraße entlang. Die Plünderer ritten
ein wenig abseits zu ihrer Linken, schienen sie aber zu beobachten, denn wenige
Augenblicke später trennten sich die drei Reiter von den Rindern und kamen auf
sie zugeritten. Er hörte, wie Morann ihm zuflüsterte, er solle ganz ruhig
bleiben. Er spürte jedoch, wie seine Hand den Griff des Schwerts, das er immer
noch unter der Decke zwischen den Beinen versteckt hielt, unwillkürlich fester
umspannte. Nun hatten die Reiter sie erreicht.
Zwei
von ihnen trugen schwere Lederwämser und waren mit Schwertern bewaffnet. Sie
waren offensichtlich Soldaten. Der Dritte, ein in einen Mantel gehüllter
schmächtiger Kerl mit Zahnlücken, machte nicht den Eindruck, als würde er zu
ihnen gehören. Der Soldat, der den Bauern niedergestreckt hatte, ergriff nun
das Wort und sagte:
»Wir
brauchen diese Karre.« Das war ein Befehl. Aber als Osgar sich widerwillig
erheben wollte, legte Morann ihm seine Hand auf den Arm und hielt ihn zurück.
»Das
ist leider nicht möglich«, sagte
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