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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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übereingekommen, dass Osgar es zurückbringen
sollte. Nachdem er dort die Nacht verbracht hatte, würde er den vertrauten Weg
durch die Berge wählen, der nach Glendalough hinaufführte.
    Morann indessen hatte
vor, am Vormittag seine Geschäfte in Kildare zu erledigen und dann auf der
Landstraße weiterzuziehen, die an Carmun vorbeiführte. Er würde am Tag darauf
in Dyflin sein.
    Da es keinen Grund
zur Eile gab, beschloss Osgar, ein paar angenehme Stunden in der Klosterstadt
Kildare zu verbringen.
    Bevor das Christentum
die Insel erreichte, hatte es hier in einem Eichenhain ein Heiligtum gegeben,
das Brigid, der keltischen Göttin der Heilkunst, geweiht war, zu deren Ehren
Anfang Februar das Imbolc–Fest gefeiert wurde. Brigid war nicht nur
Schutzpatronin des Handwerks und der Dichtkunst, sondern auch die Beschützerin
der Provinz Leinster, und um sich dieser Gunst zu versichern, hatte die
Priesterin Tag und Nacht ein heiliges Feuer unterhalten.
    Mittlerweile war
Kildare eine große Stadtgemeinde – mit einem heiligen Zentrum, einem inneren
Ring von Klostergebäuden sowie außerhalb davon weltlichen Vierteln –, und es
enthielt ein zweifaches Kloster mit einem Bereich für Mönche und einem für
Nonnen, das von einem gemeinsamen Oberhaupt geleitet wurde. Kildare war reich
und mächtig und besaß zu seinem Schutz sogar ein eigenes Gefolge bewaffneter
Männer.
    Während er eines der
kunstvollen Kreuze der Stadt bewunderte, beschloss Osgar, seine Pläne zu
ändern.
    Der Gedanke war ihm
zum ersten Mal gekommen, als er noch in Keils arbeitete, und er war ihm auf dem
Rückweg erneut in den Sinn gekommen. Vielleicht weil die Sonne so heiter auf
den frostigen Boden schien und wohl auch deshalb, weil sich auch Morann dorthin
begeben wollte, verspürte er plötzlich das dringende Bedürfnis, Dyflin zu
besuchen.
    Schließlich, so rief
er sich ins Gedächtnis zurück, wurde er ja nicht an einem bestimmten Tag in
Glendalough zurückerwartet. Und wenn er sich nicht wegen Schwester Martha nach
Kildare begeben hätte, wäre er vermutlich ohnehin über Dyflin nach Glendalough
zurückgekehrt. Angesichts der gegenwärtigen Unruhen war es auch geradezu seine
familiäre Pflicht, sich über das Wohlergehen seines betagten Onkels zu
vergewissern. Da das kleine Familienkloster nominell dem von Glendalough
unterstand, konnte er sich vorstellen, dass der Abt von Glendalough ihm für
einen Bericht über die Zustände dort durchaus dankbar wäre. Und wenn er
zufällig Caoilinn begegnen sollte, die, wie Morann ihm erzählt hatte, nun bei
ihrem Vater in der Stadt wohnte, so könnte auch dies gewiss nicht von Übel
sein. Als Morann nach seiner Verabredung wieder auftauchte, fragte Osgar daher
den überraschten Goldschmied, ob er, anstatt geradewegs nach Glendalough
zurückzureiten, ihn in seinem Fuhrkarren mit in die Stadt nehmen könnte.
    Morann blickte ihn
argwöhnisch an und meinte warnend:
    »Dort könnte es immer
noch gefährlich sein.«
    »Ihr fahrt aber
dennoch hin«, entgegnete Osgar grinsend. »Ich bin sicher, dass mir mit Euch
zusammen nichts zustoßen wird.«
    Eine Stunde vor
Mittag brachen sie auf. Auf dem Boden lag noch ein Schimmer von Raureif, und
während sie durch die ausgedehnten offenen Weiten von Carmun fuhren, war das
ganze Land ein von der Sonne beschienener funkelnd grüner Spiegel. Osgar befiel
ein sonderbares Glücksgefühl und eine prickelnde Erregung, die mit jeder Meile,
die sie zurücklegten, zunahm. Und obwohl er sich zuerst einredete, dass er sich
auf das Wiedersehen mit seiner Familie in dem Kloster freute, gestand er sich
schließlich ein, dass es vor allem die Aussicht auf eine Begegnung mit Caoilinn
war, die ihn in Aufregung versetzte.
    Am frühen Nachmittag
gelangten sie auf eine breite Landstraße, die nach Norden führte, während
einige Meilen entfernt im Westen die ausgedehnten Hänge der Wicklow–Berge
aufragten. Es war Osgar, der den ersten Reiter entdeckte, etwa eine Meile
entfernt zu ihrer Rechten. Noch während er Morann auf den Fremden aufmerksam
machte, bemerkte er nicht weit hinter ihm weitere Männer. Auch Fußvolk und ein
Fuhrkarren tauchten auf. Und als er den Blick nach Süden wandte, wurde ihm
klar, dass sie in Kürze einer gewaltigen Flut von Menschen begegnen würden, die
sich zerlumpt und zerschunden am Rand der Ebene unterhalb der Wicklow–Berge
dahinschleppten. Es dauerte nicht lange, bis sie sich so weit genähert hatten,
dass Osgar und Morann einen von ihnen heranwinken konnten.

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