Die Prinzen Von Irland
abhängen.
»Geh zu den Fish
Shambles, Una«, wies er sie an. »Finde heraus, was vor sich geht.«
Auf der abschüssigen
Marktstraße drängten sich die Menschen; sie rannten in alle Richtungen, manche
zu den Quais, andere hinauf zur Christ Church. Una hielt einige Leute an, doch
niemand schien zu überblicken, was wirklich geschah; und als sie gerade
überlegte, was sie wohl tun solle, sah sie Vater Gilpatrick rasch auf sich
zukommen. Sie kannten sich flüchtig, und er nickte ihr freundlich zu. Una bat
ihn um Rat.
»Der Erzbischof
reitet gerade hinaus, um mit ihnen zu sprechen«, erzählte er ihr. »Er ist fest
entschlossen, jedes Blutvergießen zu vermeiden. Ich reite ihm jetzt hinterher.«
Als sie mit dieser
Nachricht zurückkehrte, grübelte Kevin MacGowan. Die Chancen standen offenbar
gut. Was man auch immer über den Erzbischof dachte, selbst König Diarmait würde
wohl kaum seinen frommen Schwager abweisen.
»Wir können ein
Weilchen abwarten und sehen, was geschieht«, sagte er zu seiner Familie. »Una,
du gehst besser zurück zur Stadtmauer. Lass uns sofort wissen, wenn etwas Neues
passiert.«
Der Anblick, der sich
ihr bot, als sie diesmal zur Mauer kam, war ein Schock. Die vorderste
Kampflinie war nur noch dreihundert Meter entfernt. Sie konnte sogar die
Gesichter, die finster zur Stadtmauer blickten, erkennen. Abteilungen von
Rittern, Soldaten und Bogenschützen hatten offenbar die ganze Stadtmauer
umstellt.
Genau eine
Viertelmeile vor ihr die Hauptstraße hinuntersah sie
Erzbischof O’Toole. Er saß nach irischer Sitte, ohne Sattel, auf einem kleinen
grauen Pferd. Hinter ihm waren einige andere Kirchenleute, darunter auch
Gilpatricks Vater. Der Erzbischof war mit einem bärtigen Mann, von dem sie annahm,
es sei König Diarmait, und mit einem großen Mann, der einen langen Schnurrbart
und einen unbewegten Gesichtsausdruck hatte, ins Gespräch vertieft. Das musste
Strongbow sein. An der gesamten Frontlinie standen die Männer regungslos. An
einer Ecke der Stadtmauer wirkten einige berittene Männer unruhig, doch sie
vermutete, das lag an ihren Pferden. Gelegentlich schwenkte einer der Ritter
aus der Frontlinie aus und ritt einen Kreis, bevor er sich wieder eingliederte.
Sie sah, wie Gilpatrick durch das offene Tor hinausritt und sich zu seinem
Vater und den anderen Priestern gesellte. Noch immer rührte sich niemand. Nun
stieg der Erzbischof vom Pferd. König Diarmait und Strongbow taten es ihm nach.
Männer trugen Stühle herbei, damit sie sich hinsetzen konnten. Offensichtlich
würden die Verhandlungen einige Zeit dauern. Una wandte den Blick von der
Szenerie ab und schaute kurz auf die Straße hinter sich. Und was sie sah,
versetzte ihr einen gewaltigen Schreck.
Fionnuala spazierte
unterhalb der Mauer die Straße entlang. Ein halbes Dutzend Jungen war bei ihr,
und es sah ganz danach aus, als schäkerte sie mit ihnen. Sie hatte einem Jungen
das Haar zerzaust und schlang gerade einen Arm um einen anderen. Es war doch
unmöglich, dass sie nichts von der Situation der Stadt wussten. Vielleicht
konnten sie sich einfach nicht vorstellen, dass die Engländer hineinkommen würden.
Aber nicht Fionnualas Torheit, nicht einmal ihr Schäkern schockierten sie
wirklich, sondern vielmehr die Tatsache, dass Fionnuala eigentlich im Hospiz
sein sollte. Sie hatte es versprochen. Wer kümmerte sich nun um die Patienten?
Una spürte, wie eine Woge der Empörung in ihr hochschlug.
»Fionnuala!«, schrie
sie. »Fionnuala!«
Erstaunt blickte das
Mädchen auf.
»Una. Was tust du
denn hier?«
»Das ist unwichtig.
Was tust du hier? Warum bist du
nicht im Hospiz?«
»Mir war langweilig.«
Fionnuala Gilpatrick schnitt eine lustige Grimasse.
Una schaute nur kurz
über die Mauer, um festzustellen, dass der Erzbischof noch immer ins Gespräch
vertieft war. Dann rannte sie zur Treppe, eilte die Stufen hinunter, und ohne
die Jungen zu beachten, ging sie geradewegs auf Fionnuala zu. Sie war wütend.
Noch nie war sie so in Rage gewesen. Als die Tochter des Priesters erkannte,
dass Una es ernst meinte, lief sie weg, doch Una holte sie ein und zerrte an
ihren Haaren.
»Du Lügnerin«, schrie
sie. »Du dummes, nutzloses Miststück!« Sie schlug Fionnuala mit aller Kraft ins
Gesicht. Fionnuala ohrfeigte sie zurück, doch nun schlug die Tochter des Schmieds
mit der geballten Faust zu. Fionnuala schrie auf, riss sich los und rannte
wieder davon. Una hörte die Jungen hinter sich lachen. Sie beachtete sie nicht
und rannte hinter
Weitere Kostenlose Bücher