Die Prinzen Von Irland
Vater…«, hob
Gilpatrick an. Doch Conn hatte auf dem Absatz kehrtgemacht und stapfte davon.
Gilpatrick wusste, dass es sinnlos war, ihm hinterherzugehen. Eine Woche später
wurde die Hochzeit verkündet. Gefeiert wurdesie im Juni,
und Gilpatrick war nicht dabei. Als er im Juli seinen Vater an der Pforte der
Christ Church sah, ging er auf ihn zu; doch Conn drehte sich um, als er ihn auf
sich zukommen sah; und nach einem kurzen Zögern entschied Gilpatrick, ihm nicht
zu folgen. Der August verging, ohne dass sie miteinander sprachen. Der
September brach an.
Und dann gab es
andere, dringendere Dinge, über die nachgedacht werden musste.
* * *
Es war noch ruhig, als Kevin MacGowan an
diesem grauen Septembermorgen aufwachte. Seine Frau war schon auf den Beinen;
vom Ofen im Hof drang der zarte Duft von frisch gebackenem Brot. Das
Sklavenmädchen fegte am Tor. Die beiden Jungen spielten im Hof. Durch die
offene Tür konnte er ihren dampfenden Atem sehen. Es war Herbst geworden in Dublin.
Die Morgenluft war kalt.
Wie immer griff er
unwillkürlich unters Bett und tastete nach der Kassette. Es war beruhigend, sie
dort zu wissen. Er hatte sie gern nah bei sich, wenn er schlief. Eine andere
Stelle, wo er sie oft versteckte, war unter dem Brotbackofen. Nur seine Frau
und Una wussten davon. Es war ein gutes Versteck. Selbst wenn man hundert Mal
hinsah, würde man nie darauf kommen, dass sich dort ein Versteck befand. Doch nachts,
wenn er im Haus schlief, verwahrte er die Kassette unter seinem Bett.
Er schaute sich im
Zimmer um. In der hinteren Ecke entdeckte er im Halbdunkel eine andere Gestalt,
die ihn strahlend ansah. Es war Una. Normalerweise wäre sie im Hospiz, doch
heute wollte sie lieber zu Hause bei ihrer Familie bleiben. Sie richtete sich
auf. Er lächelte. Konnte sie sein Lächeln im Halbdunkel erkennen? Er war sich
nicht sicher, ob sie wusste, wie glücklich ihn ihre Anwesenheit machte.
Wahrscheinlich nicht. Und wahrscheinlich war es besser, dass sie esnicht wusste. Man durfte seinen Kindern nicht zu viel
Zuneigung aufbürden.
Er stand auf, ging zu
ihr und küsste sie auf den Kopf. Als er sich umdrehte, spürte er eine leichte
Enge in der Brust und hustete ein bisschen. Dann ging er zur Tür und schaute hinaus.
Es würde bestimmt kalt werden.
Er blickte zum Tor.
Es ging gerade ein Nachbar mit einem Holzkübel voll Wasser vom Brunnen vorbei.
Der Mann hatte es offenbar nicht eilig. Er lauschte. Ein paar Spatzen
zwitscherten in den Ästen des Apfelbaums im Nachbarhof. Er hörte eine Amsel.
Ja, alles schien normal zu sein. Kein Hinweis auf einen Aufruhr.
Strongbow. Niemand
hätte gedacht, dass er wirklich kommen würde. Sein Onkel und die FitzGeralds
hatten den ganzen Sommer unten im Süden verbracht, also hatten die Dubliner
angenommen, sie würden auch den Rest des Jahres dort bleiben. Doch dann hatte
sie in der letzten Augustwoche die Nachricht erreicht: »Strongbow ist in
Wexford. Er ist mit englischen Truppen gekommen. Mit vielen Truppen.«
Zweihundert komplett
ausgerüstete Männer zu Pferde und tausend Fußsoldaten, um genau zu sein. Die
meisten waren auf den riesigen Besitzungen der Familie in England eingezogen
worden. Eine solche Streitmacht konnte nur einer der größten Magnaten des
Plantagenets–Reich zusammengestellt haben. Gemessen am Standard des feudalen
Europas war es ein kleines Heer. Für irische Verhältnisse jedoch bedeuteten die
Ritter in ihren Rüstungen, die hoch trainierten Waffenmänner und Bogenschützen,
die mit mathematischer Genauigkeit schossen, eine disziplinierte
Kriegsmaschinerie, die ihre Möglichkeiten übertraf.
Innerhalb weniger
Tage kam die Nachricht, auch die Hafenstadt Waterford sei in Strongbows Hand;
und dann, König Diarmait gebe Strongbow seine Tochter zur Frau. Und kurz darauf
hieß es: »Sie kommen nach Dublin.«
Es war eine Schmach.
Der Hochkönig hatte Diarmait erlaubt, Leinster einzunehmen; mit Dublin verhielt
es sich jedoch anders, denn es war von dieser Vereinbarung definitiv ausgenommen.
»Wenn Diarmait Dublin will, dann hat er die Absicht, ganz Irland einzunehmen«,
urteilte der O’Connor–Hochkönig. »Und gab er mir nicht seinen eigenen Sohn zum Unterpfand?«
Sollte Diarmait unter solchen Umständen seinen Eid brechen, hatte O’Connor nach
irischem Gesetz das Recht, mit dem Jungen zu tun, was er wollte, ja, er durfte
ihn sogar töten. »Was ist das für ein Mann«, rief O’Connor, »der seinen eigenen
Sohn opfert?«
Es war an der Zeit,
den Plänen
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