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Die Prinzen Von Irland

Die Prinzen Von Irland

Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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rauen
Akzent, ihrem ledernen Wams und dem gepolsterten Waffenrock wirkten sie irgendwie
robuster, kompakter als die Männer, an deren Anblick sie gewöhnt war. Manche
warfen ihr Blicke zu, die ihr unangenehm waren, doch niemand belästigte sie.
Nachdem sie den Hang bei den Fish Shambles hinuntergegangen war, bog sie in die
Straße ein, die zu ihrem Elternhaus führte.
    Una fühlte sich
plötzlich elend und war kurz davor umzukehren. Doch das konnte sie nicht.
Allein schon ihrer Familie wegen müsste sie herausfinden, was aus dem Haus
geworden war.
    Die Straße war recht
ruhig. Durch die Zäune hindurch konnte sie erkennen, dass sich auch hier in den
meisten Häusern Soldaten einquartiert hatten. Als sie zum Zaun vor ihrem Elternhaus
kam, schaute sie nervös zum Tor. Es stand offen. Sie trat näher, steckte den
Kopf durch das Tor und blickte in den Hof. An der etwas verrückten
Holzkohlenpfanne in der Werkstatt ihres Vaters und an den verstreut im Hof
herumliegenden Gegenständen erkannte sie, dass jemand da gewesen sein musste.
Vielleicht schliefen die Männer im Haus. Eswäre besser,
sie ginge. Doch sie tat es nicht. Stattdessen schlich sie, nachdem sie noch
einmal einen prüfenden Blick auf die Straße geworfen hatte, in den Hof. Es war
still.
    Die Kassette: welch
eine Chance! Wenn sie nur schnell über den Hof zum Versteck huschen könnte. Es
würde nur einen kurzen Moment dauern. Sie könnte das Kästchen mitnehmen und im
Wollschal, der ihr über den Schultern lag, verbergen. Wie lange würde sie
brauchen, um zur Christ Church zu laufen und es dort in Sicherheit zu bringen?
Nur wenige Augenblicke. Mehr nicht. Und wann würde sich ihr je wieder eine
solche Chance bieten? Vielleicht nie.
    Aber waren Männer im
Haus? Das war die Frage. Um zum Versteck zu gelangen, müsste sie an der offenen
Tür Vorbeigehen. Sollte drinnen jemand wach sein, würde er sie wahrscheinlich
sehen. Leise schlich sie über den Hof, an der Kohlenpfanne vorbei, am Brotofen
vorbei. Sie müsste einen Blick durch die Tür werfen und herausfinden, ob jemand
im Haus wäre. Sollten Soldaten sie zu Gesicht bekommen, würde sie wegrennen
müssen. Una dachte nicht, dass man sie fangen würde. Endlich hatte sie die Tür
erreicht.
    Sie sah hinein. Sie
konnte kaum etwas erkennen, da das einzige Licht von der Tür und der schmalen
Öffnung im Dach kam. Kein Geräusch war zu hören. Nach einigen Augenblicken
konnte sie die Bänke an den Wänden ausmachen. Niemand schien darauf zu liegen.
Sehr zaghaft ging sie hinein. Nun konnte sie besser sehen. Sie schaute in die
Ecke, wo ihre Eltern sonst schliefen, dann in ihre eigene Ecke. Nein. Es war niemand
da. Plötzlich hatte sie das dringende Verlangen, zu ihrem Schlafplatz zu gehen,
um noch einmal seine tröstende Vertrautheit zu spüren; aber sie wusste, sie
dürfte es nicht. Mit einem Seufzer drehte sie sich um und trat wieder in den Hof.
Sie überlegte, ob sie noch einmal vors Tor schauen sollte, und entschied, es
wäre nicht nötig. Besser keine Zeit verlieren.
    Rasch huschte sie zum
Versteck unter dem Brotofen. Wenn man wusste, wie man den kleinen Stein
beiseite schob und dann hineinlangte, dauerte es nur einen Moment. Sie schob ihren
Arm hinein. Weiter. Sie tastete mit ihrer Hand umher. Und stieß auf…
    Nichts. Sie konnte es
nicht glauben. Sie tastete noch einmal. Wieder nichts. Es musste ein Versehen
sein. Sie krempelte den Ärmel auf, bis ihr ganzer Arm frei war, und versuchte
es wieder, tastete mit der Hand hier und da und schob sie so weit vor, bis sie
die Rückwand des Verstecks berührte.
    Es gab keinen
Zweifel. Das Versteck war leer. Die Kassette war gestohlen. Plötzlich fühlte
sie eine kalte Panik und dann ein Übelkeit erregendes Elend: Irgendjemand hatte
den Schatz ihres Vaters gefunden. Der ganze Besitz ihrer Familie war weg. Sie zog
den Arm heraus und sah sich um. Wo könnten sie das Kästchen hingetan haben?
Drinnen im Haus vielleicht? Zumindest war es einen Versuch wert. Sie schaute
zum Tor, noch immer niemand. Sie rannte zurück ins Haus.
    Die Unordnung dort
störte sie ebenso wenig wie die Dunkelheit. Sie kannte jedes Eckchen, jeden
Spalt und jedes Versteck. Mit ungeheurer Geschwindigkeit ging sie an den Wänden
entlang, rückte die Bänke ab, warf Umhänge, Decken und sogar ein Kettenhemd
wild durcheinander auf den Boden. In ihrer Aufregung ließ sie sogar zwei
Metallschalen scheppernd zu Boden fallen. Sie arbeitete schnell und gründlich,
und am Ende, als sie mit dem Rücken zur Tür

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